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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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herum. Der originelle Vorschlag kam von Katinkas Trainer, und er
schnitt dazu eine Grimasse, die an Ronald Reagan und die Endphase des Kalten Kriegs
erinnerte. Auch eine Möglichkeit, für Aufmerksamkeit zu sorgen! Kommissar Fischer
kratzte sich heftiger als vorher hinterm Ohr, Dr. Eichelscheid runzelte die Stirn,
die Sekretärin ließ ihre Hände unschlüssig über der Tastatur schweben.
    »Oder die
Engländer«, korrigierte der Trainer. »So, wie die sich aus dem Fenster gelehnt haben.«
    »Das müssen
Sie uns erklären«, sagte Eichelscheid kühl. Steffen nickte.
    »Logisch.
Die Briten wollen zurück an die Spitze der europäischen Leichtathletik. Dafür pumpen
sie schon seit Jahren Millionen in den Leistungssport. Nicht ganz so schlimm wie
die Chinesen vor vier Jahren, aber immerhin. Und ein paar Disziplinen haben sie
sich als besondere Prestigeobjekte rausgeguckt. Die Mittelstrecken zum Beispiel.
Zehn- und Siebenkampf. Und den Marathon.«
    »Was wollen
sie im Marathon gegen die Kenianer ausrichten?« Das war, zur allgemeinen Überraschung,
Kommissar Fischer, das Urbild des Antisportlers.
    »Gegen die?
Nichts«, gab der Trainer ungerührt zurück. »Gegen Äthiopier und Asiaten auch nichts.
Ihr Ziel ist es, die Nummer eins in Europa zu sein. Und es gibt da ein paar ganz
gute Mädels in ihrem Kader. Die zwar keine Chance auf eine vordere Platzierung haben,
als Team aber nicht schlecht dastehen. Genau wie wir.«
    Nach diesen
Worten herrschte Stille. Von britischen Marathonläuferinnen hatte ich noch nie etwas
gehört. Wer Marathon lief, war klein, schwarz und ausgemergelt. Nein, Moment, da
gab es doch mal eine, die mehr mit dem Kopf wackelte als mit der Hüfte. Die sogar
Weltrekord gerannt war. Wie hieß sie noch gleich?
    »Paula Radcliffe«,
sagte Eichelscheid schließlich, als könne er Gedanken lesen. »Ist sie keine Medaillenanwärterin?«
    »Nicht mehr.
Über dem Zenit, die gute Paula. Wenn sie fit ist, schafft sie es unter die besten
Zehn. That’s all, Madam.«
    »Aber was
hat das nun mit Frau Glück zu tun?«
    »Sagte ich
doch eben. Die Engländer haben ein Ziel ausgegeben: bestes europäisches Marathonteam,
bei Männern wie Frauen. Und unsere Mädels stellen eine echte Konkurrenz dar.«
    »Es gibt
noch nicht einmal eine Medaille in der Teamwertung«, wandte Steffen ein. »Dafür
lohnt der Aufwand doch kaum.«
    »Kommt auf
die Sichtweise an.«
    »Aber deswegen
eine potenzielle Konkurrentin auszuschalten? Mit solchen schrägen Methoden? Das
ist doch absurd!«
    »Sind Sie
Sportler?« Der Trainer warf dem Jungspund einen vernichtenden Blick zu.
    Steffen
wurde rot. »Nein, aber …«
    Achselzucken.
    »Nun, ich
kann mir das ebenso wenig vorstellen«, kam Eichelscheid zu Hilfe. »Ob die Engländerinnen
in der Endabrechnung Vierte oder Fünfte werden, dazu bestes oder zweitbestes europäisches
Team, interessiert doch niemanden. Nicht einmal unter den Experten!«
    »Fragen
Sie mal die Russen. Wenn die sich eine bestimmte Platzierung vornehmen, ziehen die
das durch. Mit allen Mitteln.«
    »Herr Grothe«,
schüttelte der Ältere den Kopf, »das war einmal. Und nur weil Sie in der ehemaligen
DDR aufgewachsen sind …«
    »Auf diesen
Spruch habe ich gewartet«, fauchte der andere. Sein Bizeps zuckte unter dem karierten
Hemd. »Ich hätte es Ihnen im Vorfeld schriftlich geben können, dass er kommt! Einziger
Ossi in der Runde, einziger Sportler in der Runde – da kriegste immer einen auf
den Deckel. Bitte, ich kann auch gehen, wenn es den Herren lieber ist.«
    Schon erhob
er sich halb und wurde sofort in den Stuhl zurückkomplimentiert, wurde besänftigt
und umschmeichelt. Um Gottes willen, man schätze seine ostdeutschen Mitbürger über
alles, halte sie in Ehren und brauche sie ja auch sehr wohl irgendwie. Und die Sportler,
die vor allem. Dr. Eichelscheid wies auf seine Vergangenheit als Hockeynationalspieler
hin, ein gewisses Gespür für die Nöte der Athleten sei also durchaus vorhanden.
Natürlich nicht das Expertenwissen des Herrn Grothe, den man aus genau diesem Grund
zu der Unterredung hinzugebeten habe. Damit das ein für alle Mal klar sei.
    »Meine Mutter
stammt übrigens aus Görlitz«, fügte Herr Steffen an.
    Der Trainer
warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Natürlich, so hübsch, wie er selbst vorhin
vom »Däggel« gesprochen hatte, würde es der smarte Steffen nie hinbekommen.
    Gut, dass
sich in diesem Moment ein Profi einmischte: Kommissar Fischer. »Sie meinen also«,
wandte er sich unter

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