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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Jährchen nicht mehr, da hatte sie recht. Dennoch haute mich diese Kundenfreundlichkeit
schier um.
    Nach dem
Mittagessen schaute ich mir das Treiben auf den Sportplätzen an. Ein paar Beachvolleyballer
trotzten den Windböen und schmetterten, was das Zeug hielt. Die Fußballer aus dem
Erzgebirge stellten sich unter kryptischen Anweisungen zu Erinnerungsfotos auf.
Eine Gruppe Muskelmänner, unter ihnen der Olympiasieger, dessen Name mir ums Verrecken
nicht einfiel, schleuderte Disken und Hämmer aus Wurfkabinen, die man auch im Regen
nutzen konnte. Ruderer kämpften sich über den wellenbewegten Liebenberger See.
    Auf dem
Sportplatz mit der roten Bahn waren die Leichtathleten zugange. Hochspringer übten
immer und immer wieder ihre Anläufe, Sprinter ließen ihre Muskeln spielen. Katinka
und ein paar andere machten ausgiebig Dehnübungen, ansonsten saßen und lagen sie
herum und diskutierten. Wusste gar nicht, dass es beim Laufen so viel zu quatschen
gab! Okay, der Bundestrainer war anwesend, wie ich erfahren hatte, da wurde viel
Organisatorisches besprochen, interne Abläufe, die Ernährung, der Formaufbau, das
Auftreten in den Medien, das Finanzielle … Schon klar.
    Und noch
ein Thema durfte nicht fehlen: der Startverzicht von Romy Feierabend. Katinka hatte
sie telefonisch nicht erreicht, weil Romy in die USA gereist – oder geflüchtet –
war, und per Mail oder SMS wollte sie einen so heiklen Gegenstand nicht erörtern.
Ob sie hier mehr erfahren würde?
    Als sich
die Gruppe endlich in Bewegung setzte, hörte das Gerede nicht etwa auf. Im Gegenteil,
jetzt fuchtelten sie auch noch mit Armen und Händen. Trab, trab, im Schneckentempo
um die Kunststoffbahn herum, und nur das Mundwerk lief auf Hochtouren. Interessante
Art von Training war das.
    Na, was
ging es mich an! Ich setzte mich so, dass mir die Sonne, wenn sie denn zwischen
den rasch ziehenden Wolken durchlugte, ins Gesicht schien, und bildete mir ein,
ich sei im Urlaub. Stimmte ja auch fast. Ein bisschen die Augen offen halten, darin
bestand mein ganzer Job. Welche Gefahr drohte Katinka hier in Kienbaum? Höchstens
die einer Erkältung, wenn sie sich nassgeschwitzt dem Wind aussetzte. Ansonsten:
Sonnenschein, kreisende Vögel, das dunkle Grün der Kiefern, Kommandorufe über dem
See. Und nachher startete zu allem Überfluss das Touristenprogramm.
    Ich gähnte.
Hoffentlich verschlief ich es nicht.
    Endlich
wurde es Zeit für die Besichtigung. Die Gruppe, der ich mich anschließen durfte,
bestand aus ergrauten Mitgliedern eines Erfurter Vereins, denen man ihre Vergangenheit
als Turner und Eisschnellläufer nicht ansah. Von der nationalen Spitze seien sie
ein gutes Stück entfernt gewesen, erzählte mir einer, aber zum Sieg im Vergleichskampf
mit den Genossen aus Polen habe es immer gereicht.
    »Gegen die
aus dem Westen auch«, erinnerte seine Frau.
    »Allerdings.«
    Der Eingang
zur Unterdruckkammer befand sich versteckt zwischen Bäumen. Ein Mitarbeiter der
Kienbaum-Verwaltung führte uns zu einer unansehnlichen Baracke auf einem Erdhügel,
in der es nach Schimmel roch. An den Fenstern vergilbte Gardinen. Über eine Treppe
mit rostigem Metallgeländer stiegen wir in die Tiefe und erreichten einen langen
Gang. Rechter Hand das erste Highlight: die Kommandozentrale, ein mit billigem Ostmobiliar
vollgestopfter Raum, der zur Leistungskontrolle diente. Von der Wand grüßten Dutzende
von Wimpeln aus allen Teilen der versunkenen Republik: Dynamo Dresden, Wismut Karl-Marx-Stadt,
Aktivist Schwarze Pumpe. Melancholisch fuhren die Besucher mit dem Zeigefinger über
die hoffnungslos zugestaubten Monitore.
    »Topmodern
waren die damals«, sagte einer. »Aber top.«
    Und das
gelte für die gesamte Anlage, bestätigte unser Führer, als er die schwere Tür zu
einer Art U-Boot-Schleuse öffnete. Über sie gelangten wir in die Unterdruckkammer.
Kammer ist gut! Das Ding bestand aus einer ganzen Reihe von Räumen, die durch ein
Netz von schmalen Gängen verbunden waren. In dem einen Raum standen Laufbänder,
breit, kippbar und schnörkellos, in einem zweiten verschiedene Geräte zur Kraftsteigerung,
im dritten Radergometer, geradezu rührend in ihrer Antiquiertheit.
    »Es war
nicht alles Doping«, rief unser Führer, die hellblauen Radrahmen liebevoll tätschelnd.
»Nicht alles, meine Damen und Herren!«
    Zustimmendes
Gemurmel. Nein, es war nicht alles Doping. Sondern auch preußische Zucht und Untertanengehorsam,
Glaube an den Übermenschen und Flucht vor trostlosem Alltag.

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