Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
in meiner
Tasche.
»Hm«, meinte
Fischer schließlich. »Und deshalb wird die Katze der Glücks überfahren? Damit in
London drei saubere Athletinnen für Deutschland an den Start gehen?«
»Die Polizei
behauptet, es sei ein Unfall gewesen.«
»Die Polizei
schließt einen Unfall nicht aus. Das ist etwas anderes. Ansonsten klingt Ihre Theorie
…«
»Es ist
keine Theorie, Herr Fischer, bloß eine vage Überlegung. Die Suche nach einem Motiv.
Wie gesagt, es gibt keinen Anlass, Katinka Doping zu unterstellen, aber in München
war dieses Thema derart präsent, dass ich kaum noch davon loskomme. Man muss sich
ja fragen, welche Spitzenleistung der letzten Jahre ohne UM ausgekommen ist.«
»UM?« Es
sah hübsch aus, wenn der Kommissar so ratlos dreinblickte.
»Unterstützende
Mittel. DDR-Jargon.«
»Was Sie
für Fremdsprachen können, Herr Koller!«
»Ich arbeite
dran.«
Dabei beließen
wir es. Die Rückfahrt traten wir getrennt, aber nicht mit leeren Händen an. Kommissar
Fischer hatte etwas zu überlegen, ich einen Leihwagen. Ein Wägelchen. In der Bergheimer
Straße brachte ich den Smart in einer Lücke unter, die sonst dem Mofa eines Nachbarn
vorbehalten war. Na, der würde fluchen! Als ich das Miniauto absperrte, fiel das
Licht einer Straßenlaterne auf die Werbebotschaften, die in frischem Glanz erstrahlten.
Dr. Eichelscheid persönlich hatte für ihre Säuberung gesorgt.
In dieser
Nacht schlief ich schlecht. Zufall? Vielleicht. Vielleicht aber auch eine Reaktion
auf den nagenden Zweifel in mir. Katinka und Doping? Eigentlich absurd. Wie ich
es schon dem Kommissar gegenüber formuliert hatte: Einen konkreten Anlass für diesen
Verdacht gab es nicht. Höchstens ihre sportliche Leistung. Die sie als Mutter von
zwei Kindern erbracht hatte. Womit wir beim stärksten Argument gegen Dopingmissbrauch
wären: dem eigenen Nachwuchs. Welche Mutter würde in aller Öffentlichkeit von der
Verantwortung für die nächste Generation reden, während sie sich im Hinterzimmer
mit Drogen vollpumpte?
Es sei denn,
die Glücks hätten ihre Familienplanung abgeschlossen. Das wäre dann quasi der Freibrief
zum Dopen: Endlich gefährde ich keinen mehr. Nur mich selbst. Also ran an die Spritzen!
Kein Wunder,
dass ich mich in dieser Nacht von einer Seite auf die andere wälzte. Was für ein
wirres Zeug! Und am nächsten Morgen? Beim Frühstück las mir Christine aus dem Sportteil
der Neckar-Nachrichten vor, dass die Spieler von Borussia Dortmund – von denen sie
einige ganz besonders schnuckelig fand, den Götze vor allem und den smarten Türkenbub,
schon klar –, dass diese Jungs also nur deshalb deutscher Meister geworden seien,
weil sie pro Spiel 15 Prozent mehr Kilometer zurückgelegt hätten als ihre Gegner.
»Echt?«,
sagte ich. »15 Prozent?«
»Und aussehen
tun sie doppelt so gut wie die von Bayern.«
15 Prozent?
Ich schloss die Augen und überschlug, dass Katinka mit 15 Prozent mehr Leistung
klar auf Weltrekordkurs wäre. Dann suchte ich im Internet nach der Telefonnummer
von Dr. Karst.
»Herr Koller?«,
meldete er sich verblüfft. »Ja, ich erinnere mich. Sie waren letzten Monat mit Katinka
in meiner Praxis.«
»Ich habe
nur eine einzige Frage an Sie als Experten, und bitte löchern Sie mich nicht, warum
und wozu ich sie Ihnen stelle. Woran erkenne ich, ob ein Sportler dopt oder nicht?«
»Wie bitte?«
Er lachte. »Der Letzte, der mich das fragte, war ein Journalist. Aber der fand meine
Antwort langweilig. Hat am Ende dann doch lieber die schlecht recherchierte Enthüllungsgeschichte
gebracht.«
»Immer her
mit der langweiligen Antwort.«
Karst wurde
ernst. »Nun, wenn Sie wissen wollen, ob einer zu unerlaubten Mitteln greift, und
Sie können es nicht nachweisen, empfehle ich Ihnen Folgendes: Schauen Sie sich den
sportlichen Werdegang dieser Person an. Hat sie ihre Leistungen kontinuierlich verbessert
oder gab es plötzliche, unerklärliche Sprünge? Wie stark schwanken die Leistungen?
Ist die Person genau zu den sportlichen Höhepunkten, den Olympischen Spielen etwa,
topfit? Wie ist ihr Umfeld beschaffen? Trainer, Ärzte, Verbände? Gab es da in der
Vergangenheit schon Auffälligkeiten? Natürlich ersetzt das den Nachweis eines Dopingvergehens
nicht, aber Sie können feststellen, ob Sie auf der richtigen Spur sind.«
»Das meinen
Sie mit Recherche?«
»Ja. Es
ist viel Arbeit, aber sie lohnt sich. Und sie ist wichtiger als alle Hysterie um
positive Dopingbefunde. Vergessen Sie bitte die andere Seite der
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