Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
interessieren sich nicht zufällig für die
Berufsbezeichnung dieses Herrn?«
»Immer her
damit. Ist sie denn interessant?«
»Kann man
so sehen.« Der Kommissar ließ ein meckerndes Lachen hören. Und fand, kaum hatte
er mir Tietjes Beruf durchgegeben, ein schallendes Echo in Berlin.
Da verfolgte
ich doch tatsächlich einen Privatdetektiv!
Okay, auf
meinen Heidelberger Lieblingskommissar war Verlass. Landsberger Allee, sehr schön.
Wo immer das auch war. Ein Navigationsgerät hätte ich jetzt gebraucht. Aber bis
ich mich da durch die Bedienungsanleitung gewühlt hatte, lag Tietje schnarchend
im Bett. Also dranbleiben und ihn an der eigenen Haustür abfangen.
Der Verkehr
wurde immer dichter.
Viel wusste
ich nicht von Berlins Topografie. Dass wir Friedrichshain jedoch noch nicht erreicht
hatten, als Tietje plötzlich die B 5 verließ, stand außer Zweifel. Lichtenberg,
las ich auf einem Hinweisschild rechter Hand. Wo wollte er hin? Die Fotos ausdrucken?
Neue Aufnahmen schießen? Es dauerte eine ganze Weile, bis ich eine Antwort auf diese
Fragen erhielt. Rechts ging es, links und wieder rechts, kreuz und quer durch den
Berliner Großstadtdschungel. Ich musste schwer auf der Hut sein, Tietje nicht zu
verlieren, ohne ihm allzu dicht auf die Pelle zu rücken. Gerade fuhr er bei Gelb
über eine Ampel! Fast hätte ich einen Fußgänger aufgegabelt, als ich bei Dunkelrot
hinterher jagte.
Noch so
eine Aktion, und mir war eine Schlagzeile in der Presse von morgen sicher.
Endlich
drosselte er das Tempo, blinkte rechts und schlich, ganz offensichtlich auf der
Suche nach einem Parkplatz, an einer Reihe von abgestellten Autos vorbei. Ich überholte,
sah ihn im Rückspiegel einparken und suchte mir ebenfalls ein Plätzchen. 100 Meter
weiter fand ich eins.
Über Außen-
und Rückspiegel verfolgte ich seine Bewegungen. Er schloss seinen Wagen ab, ging
ein paar Schritte zurück und verschwand, ohne sich noch einmal umzusehen, in einer
Kneipe.
Was jetzt?
Unentschlossen
trommelte ich auf dem Lenkrad herum. Meiner Ansicht nach gab es genau zwei Möglichkeiten.
Ich konnte die Gunst der Stunde nutzen und zu Tietje nach Hause fahren. Vielleicht
stand ja ein Fenster seiner Wohnung offen? Von wegen Berliner Luft und so? Sehr
witzig. Alternativ konnte ich mich in seiner Kneipe an den Tresen setzen und ein
Bier bestellen. Wollte schon immer mal die Gastronomie unserer Hauptstadt erkunden.
Und wenn Tietje mich kannte? Eben im Sportzentrum hatte seine Aufmerksamkeit den
Leichtathleten gegolten. Als er vor einigen Wochen in Ziegelhausen aufgetaucht war,
hatte ich meinen Job noch gar nicht angetreten. Wenn Katinka recht hatte, war er
auch in Frankfurt gewesen, allerdings nach uns. Wobei sich nicht abschätzen ließ,
wie oft er Katinka bereits aufgelauert und sie dabei in meiner Begleitung gesehen
hatte.
Na, und
wenn schon! Dann kannte er mich eben. Die beste Grundlage für ein Gespräch unter
Männern!
Ich stieg
ebenfalls aus und tappte zu der Kneipe hinüber. »Zum alten Leuchtturm«, stand über
dem Eingang, was mich einigermaßen irritierte. Wo gab es denn einen Leuchtturm in
Lichtenberg? Angegammeltes Erscheinungsbild, die Fenster klein, dahinter schwere,
nikotingelbe Häkelvorhänge. Dank Happy Hour kostete das große Pils zwischen 17 und
19 Uhr nur 2,50 Euro. Also jetzt. Noch ein Grund, die Kneipe zu beehren. Trotzdem
spähte ich zuerst durch die beiden Fenster, in der vagen Hoffnung, Tietje beim konspirativen
Treff mit einem prominenten Auftraggeber zu erwischen. Außer schummrigem Deckenlicht
und einem unbesetzten Tisch in Fensternähe konnte ich jedoch nichts erkennen.
Nun, denn.
Ich wollte eben nach der Klinke greifen, als die Tür von innen geöffnet wurde. Tietje
stand auf der Schwelle, in der Linken ein frisch gezapftes Bier, und nickte mir
zu.
»Nur herein,
Kollege!«
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»Kollege?«, tat ich ahnungslos.
»Sind Sie denn auch Privatdetektiv?«
Dann griff
ich zu dem Bier, das vor mir auf dem Tisch stand, und nahm einen Schluck. Es war
höchstens mittelmäßig, aber dreimal besser als die Kneipe mit ihrem eichendunklen
Mobiliar, dem fiependen Glücksspielautomaten in der Ecke und einem Wirt, dem das
Brusthaar silbergrau aus dem Hemd kroch. Der Kippendunst vergangener Dekaden hing
auch Jahre nach Einführung des Rauchverbots noch überall. Trotz Happy Hour war das
Lokal schlecht besucht, lediglich eine Handvoll halbseidener Gestalten lungerte
um den Tresen herum. Tietje hatte mich zu einem abseits
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