Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
ruhig
in der Hand.
»Wenn ich
nur wüsste, wer dahintersteckt!«, sagte ich. »Mensch, Ralf, kannst du mir nicht
helfen? Bei dir geht es doch bestimmt um eine ganz andere Sache. Wahrscheinlich
kommen wir uns ab jetzt nie wieder in die Quere.«
»Quatscht
ihr da unten alle so viel?«, brummte er und hob sein Glas zum Mund.
»Logisch.
Wer das nicht kann, bekommt keine Aufenthaltserlaubnis. In deinem Fall sehe ich
schwarz, Ralf. Aber vielleicht korrigierst du meinen Eindruck ja?«
Bedächtig
setzte er sein Glas ab. Anschließend war wieder der Autoschlüssel dran. »Bei euch
Jungspunden«, sagte er, ohne mich anzusehen, »weiß man nie, wie ihr reagiert, wenn
ihr auf Granit beißt. Falls du auf die irrwitzige Idee kommen solltest, mir die
Polizei auf den Hals zu hetzen – lass es lieber. Kann sein, dass ich vor einigen
Wochen einen Trip nach Heidelberg unternommen habe. Wollte halt auch mal den Touristen
spielen. Und falls ich beim Spaziergang durch den Odenwald ein wenig vom Weg abgekommen
sein sollte, so what? Ansonsten bin ich ein großer Fan unserer Leichtathleten, die
ich regelmäßig in Kienbaum besuche. Meine Fotos von dort sind selbstverständlich
nur für den privaten Gebrauch bestimmt.«
»Wunderbar.
Von so erfahrenen Kollegen kann man einiges lernen.«
»Ansonsten
fand ich es … nun, sagen wir: interessant, dass die Glück neuerdings einen Aufpasser
braucht. Bisschen übertrieben, meinst du nicht? Vielleicht hat man dir gar nicht
alle Gründe genannt, warum du den Job gekriegt hast.« Er warf mir einen kalten Blick
zu. »Vielleicht verschweigt dir deine Katinka ja etwas.«
»Also, auf
den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen«, grinste ich, und ich bin sicher,
mein dämliches Grinsen nagte an ihm, auch wenn er sich nichts anmerken ließ. Oder
doch?
»Wirklich«,
sagte er nach einem weiteren Schluck Bier, »du bist die ärmste Sau im ganzen Stall,
Kleiner. Du weißt nichts. Gar nichts.«
»Tja.« Bedauernd
hob ich die Arme.
»Und selbst
wenn du etwas wüsstest – das hier ist zu groß für dich. Zu heiß. Lass die Finger
von der Sache, sonst verbrennst du dich. Schau zu, dass der Glück nichts passiert,
und leg ansonsten die Ohren an. Verstanden?«
Ich überlegte.
»Um ehrlich zu sein: nein.«
»Einen Moment.«
Er stand auf und ging zum Tresen hinüber, wo er eine geflüsterte Unterhaltung mit
zwei Gästen begann. Jungs, die mir überhaupt nicht gefielen. Vom Aussehen her passten
sie zwar zur Kneipe, aber genau das war der Punkt. Auch ihr Getuschel gefiel mir
nicht. Die Art, wie sie die Köpfe zusammensteckten, wie sie zu mir herüberlinsten
und verständnisvoll nickten …
Ich saß
auf der Stuhlkante. Was hatten die vor?
Dass Tietje
die zwei kannte, sah man auf den ersten Blick. Wahrscheinlich hatte er mich ganz
gezielt in den Leuchtturm gelotst. Er hatte gemerkt, dass er verfolgt wurde, und
beschlossen, seine Stammkneipe anzusteuern. Um sich Verstärkung zu holen. Auch der
Wirt musterte mich schon feindselig, obwohl er nichts von der Unterhaltung mitbekam.
Dass Tietje die beiden angesprochen hatte, konnte nur eines bedeuten: Er wollte
mich loswerden. Erst der Lackmustest: Was weiß der Koller? Nichts? Nicht einmal
meinen Namen? Na, dann weg mit ihm. Auch wenn seine Kumpel weder besonders helle
noch reaktionsschnell wirkten: Sie waren zu zweit und hatten bestimmt schon so manchen
Humpen gestemmt.
Kirmesattraktionen
halt.
Das war
aber nicht das Einzige, was mir – schneller, als die Polizei erlaubt – durch den
Kopf fuhr. Denn da gab es ja noch den Autoschlüssel. Tietjes Schlüssel. Da er nicht
mehr zum daran Herumspielen benötigt wurde, lag er einsam und verlassen vor mir
auf dem Tisch. Einfach so. Ein Autoschlüssel. Und das dazugehörige Gefährt stand
draußen vor der Kneipe. Einen Steinwurf entfernt.
Also?
Nichts also.
Die blöde Kneipe war einfach zu klein. Vom Tresen bis zum Ausgang betrug die Entfernung
vielleicht drei Meter. Tietje brauchte bloß einen Ausfallschritt zu machen, um mich
an der Flucht zu hindern. Und selbst wenn ich es schaffte: Bis ich seinen Wagen
bestiegen und den Motor in Gang gesetzt hatte, saß die komplette Leuchtturm-Besatzung
bei mir auf der Rückbank.
Der Schlüssel
blieb also, wo er war. Stattdessen tat ich etwas anderes. Genau genommen tat es
meine rechte Hand, Sekundenbruchteile, bevor mein Verstand es registrierte. Unter
dem Tisch schob sie sich ganz vorsichtig in die Tasche von Tietjes Jacke, die über
seinem Stuhl hing. Denn das war es, was
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