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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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stehenden Ecktisch gelotst.
Das große Beschnuppern konnte beginnen.
    »Wie lebt
es sich da unten in der Kurpfalz?«, gab er zurück.
    »Prächtig«,
antwortete ich, mir den Bierschaum von der Oberlippe wischend. Tietje hatte seine
Frage ganz neutral formuliert, trotzdem meinte ich, den Hochmut des Städters aus
ihr herauszuhören. Kurpfalz: Dritte Welt! »Aber das wissen Sie ja aus eigener Anschauung,
Herr …?«
    »Ralf.«
Er drehte das Glas in den Fingern. »Einfach Ralf. Keine Verrenkungen.«
    »Okay.«
Ich wartete. Tietje hatte einen trägen, massigen Körper, der so manchem altersschwachen
Stuhl zum Verhängnis werden konnte. In seinem vernarbten Gesicht tat sich wenig;
selbst wenn er sprach, bewegten sich nur ein paar Muskeln rund um die aufgeworfenen
Lippen. Er trug eine raumgreifende Brille wie die Bösewichter in den Achtzigerjahre-Krimis,
was seine kleinen Augen noch kleiner erscheinen ließ. Seine Jacke hatte er über
die Stuhllehne gehängt.
    »Du bist
noch nicht lange im Geschäft?«, fragte er schließlich.
    »Geht so.«
    »Wenn du
nicht in der Provinz leben würdest, könnte ich dir beibringen, wie man Leute beschattet.
Ohne ihnen gleich die Stoßstange abzufahren.«
    »Prima wäre
das. Dann würde ich dir beibringen, wie man Fotos macht, ohne gleich dem letzten
Kurpfalzdeppen aufzufallen.«
    »Vielleicht
ist es mir ja egal, ob ich auffalle«, entgegnete er unbeeindruckt, doch ich glaubte
ihm nicht.
    Einer der
Tresenbelagerer rappelte sich auf und schlurfte zu dem Automaten hinüber. Das Gerät
beantwortete seinen Münzeinwurf mit freudigem Glucksen und Piepsen.
    »Wer hat
dich engagiert?«, fragte Tietje. »Die Glück selbst? Die hat doch kein Geld.«
    »Aber sie
hat Unterstützer.«
    »Und? Sehr
langweilig, der Auftrag?«
    »Überhaupt
nicht. Man ist viel an der frischen Luft.«
    »Entsetzlich.«
    Das wiederum
glaubte ich ihm. Mit Frischluft und Bewegung hatte es mein schwerfälliger Kollege
nicht so. Er nahm einen langen Schluck Bier, dann griff er nach seinem Autoschlüssel,
der vor ihm auf dem Tisch lag, und begann damit herumzuspielen.
    »Pass auf,
Sportskamerad«, sagte er. »Du kannst dir deine Fragen sparen. Und nun sag nicht,
welche Fragen. Sieht ja ein Blinder, dass du kaum noch an dich halten kannst mit
deiner Kurpfälzer Neugier. Von mir wirst du nichts erfahren. Ich werde dir nicht
sagen, was ich tue und was ich vorhabe, ich werde dir keine Auftraggeber nennen
und auch nicht, ob es solche überhaupt gibt. Versuch es erst gar nicht. Ich mache
keine Andeutungen, lasse dich nicht raten, kapierst du, da ist einfach nichts zu
holen. Käuflich bin ich auch nicht, falls du das denkst. Jedenfalls nicht für dich.
Falls du Hoffnung auf irgendeinen Deal zwischen uns beiden hast: Vergiss es! Keine
Chance. Null und nada.« Mit der Spitze des Autoschlüssels bohrte er sich in die
Kuppe seines Zeigefingers.
    »Dafür,
dass du nichts sagen willst«, grinste ich, »war das eine verdammt lange Ansprache.«
    »Bei manchen
Leuten muss man eben etwas deutlicher werden.«
    »Schade,
und ich dachte, wir zwei, so unter Kollegen …«
    Er hob eine
Braue. Was da an Verachtung aus seinen Äuglein troff!
    »Mich hätte
schon interessiert, was du von Katinka Glück willst«, fuhr ich fort. Natürlich würde
ich ihm keine Antwort entlocken können, aber so ganz ohne Geplauder sollte er mir
nicht entkommen. »Oder geht es gar nicht um sie? Geht es um das Team? Den DLV? Die
deutsche Leichtathletik?« Ich deutete einen kumpelhaften Rippenstoß an. »Mensch,
Ralf, nun zier dich nicht so. Gib mir wenigstens einen Tipp!«
    Schweigen.
Nur der Autoschlüssel klapperte vor sich hin. Stumm schüttelte Tietje sein Ermittlerhaupt.
    »Weißt du,
ich tappe völlig im Dunkeln. Mir will nicht in den Kopf, dass jemand einer Frau
wie Katinka Glück etwas Böses antun könnte. Einer absoluten Vorzeigesportlerin!
Das macht doch keinen Sinn.«
    Tietje schwieg
weiter. Er schaute nicht einmal auf, als der Glücksspieler am anderen Ende der Gaststube
mit der Faust gegen den Apparat schlug.
    Ohne meinen
Tischnachbarn aus den Augen zu lassen, setzte ich meinen Monolog fort. »Katinka
konnte es ja auch nicht glauben. Bis zu dem Moment, als man ihr einen Startverzicht
nahegelegt hat.«
    Tietje spielte
den Eisenhans. Keine Reaktion! Und nur mir, der ich ihn scharf beobachtete, war
aufgefallen, dass seine Lider kurz auseinander geschnellt waren. Sieh an, von der
Karlsruher Kiste wusste er nichts. Plötzlich hielt er auch seinen Schlüssel

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