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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Küchenzeile. Mochte mein Kollege auch etwas schmierig wirken,
in seiner Wohnung wusste er Ordnung zu halten. Keine Zeitungen auf dem Boden, kein
dreckiges Geschirr neben der Spüle, sogar die Blumen am Fenster machten einen frischen,
freundlichen Eindruck. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass Christine, meine
Ex, begeistert wäre, würde ich meine Behausung nur annähernd so pfleglich behandeln
wie Tietje die seine.
    »Spießer!«,
fluchte ich und ging weiter.
    Am Ende
des Wohnzimmers führte eine vierte Tür zu einem Schlafraum. Ein kurzer Blick genügte,
um mich davon zu überzeugen, dass ich das Ende von Tietjes Wohnung erreicht hatte.
    Und das
gefiel mir überhaupt nicht.
    Diele, Abstellkammer,
Bad, Wohnzimmer mit Küchenzeile, Schlafzimmer – wenn das alles war, hätte ich mir
meine Aktion schenken können. Wo, verdammt noch mal, befand sich Tietjes Büro? Sein
Arbeitszimmer oder wenigstens sein Schreibtisch? Irgendwo musste der Ermittler doch
seine Unterlagen verstaut haben! Vielleicht fand ich wenigstens ein Notebook oder
eine Handvoll DVDs, man sollte die Hoffnung ja nie aufgeben. Aber wo? Neben Tietjes
Bett vermutlich nicht.
    Ich stürzte
zurück ins Wohnzimmer, überflog die Bücherregale, riss an Schubladen auf, was es
gab – und fand nicht den geringsten Hinweis auf den Beruf meines Kollegen. Nicht
einmal Kontoauszüge oder einen Ordner mit Korrespondenz. Der Privatdetektiv Tietje
fand in dieser Wohnung nicht statt.
    Die Fotos
an der Wand: nichtssagend. Irgendwelche Urlaubsbilder, ein Fußballteam, ein paar
Jungs mit Bierflaschen in der Hand. Keine Frau, keine Familie – Tietje, der einsame
Wolf. Eine Schublade enthielt tatsächlich eine DVD-Sammlung, aber da handelte es
sich um Filmklassiker in Schwarz-weiß, brav im Handel erstanden und nicht etwa illegal
aus dem Netz geladen. Es gab ja auch keinen Computer in der Wohnung.
    Rüber zur
Küchenzeile, jede Schranktür einzeln geöffnet. Das übliche Kochzubehör, nichts sonst.
Seitlich eine Pinnwand aus Kork, was man unter diesen Umständen schon als Glückstreffer
bezeichnen musste. Einige Visitenkarten steckten dort, Notrufnummern, das Prospekt
eines Pizza-Services, die Öffnungszeiten eines Hallenbads, ein paar Namen, notiert
in winziger, überkorrekter Handschrift, die zum Zustand der Wohnung passte. Ich
zückte mein Handy und fotografierte die gesamte Pinnwand. Machte auch Bilder vom
Wohnzimmer, obwohl es keinen vernünftigen Grund dafür gab.
    Okay, jetzt
in die Diele. Tietjes Abstellkammer war vollgestopft mit all dem Kleinkram, den
man zum Leben braucht, den man aber nicht täglich um sich haben will: Ersatzkleidung,
Regenschirme, Putzmittel, Arbeitsmaterialien wie Nägel und Schraubenzieher, Taschenlampen,
Müllbeutel, Staubsauger. Auch einen geblümten Kittel entdeckte ich, der mich vermuten
ließ, dass Tietje eine Putzfrau beschäftigte.
    »Spießer!«,
wiederholte ich, aber wahrscheinlich war ich nur neidisch.
    Zwischendurch
horchte ich an der Außentür, ob sich im Hausflur etwas regte, doch dort blieb alles
ruhig. Ins Bad warf ich nur einen kurzen Blick, gewissermaßen der Vollständigkeit
halber. Dass Tietje hier keine Unterlagen horten würde, war klar. Dafür entdeckte
ich etwas anderes: den Namen »Alice«, mit knallrotem Lippenstift oben auf den Badezimmerspiegel
geschrieben. Dahinter ein Ausrufezeichen und ein Herz, ebenfalls rot.
    »Oho«, murmelte
ich. »Ralfi, du alter Schlingel! Wer hätte es gedacht …!«
    Wobei festzuhalten
war, dass auch diese Gefühlsäußerung in Tietjes Buchhalterschrift notiert worden
war. Vielleicht handelte es sich bei Alice ja gar nicht um seine Freundin, sondern
um die Putzfrau, die ihm sein Heim so sauber hielt. Oder seine Freundin musste sich
in einen Blumenkittel werfen, um ihn auf Touren zu bringen.
    »Selber
Spießer!«, dachte ich – und ja, diesmal meinte ich in der Tat mich.
    Tschüs,
Alice. Jetzt blieb nur noch das Schlafzimmer. Und der Keller oder vielleicht eine
Kammer oben auf dem Dachboden, falls Plattenbauten Dachböden hatten. Mir fehlte
die Zeit, das zu überprüfen. Tietjes Büro musste sich irgendwo in der Stadt befinden,
und wenn die Wohnung keinen Hinweis darauf enthielt, würde ich es wohl nie erfahren.
Also lieber ein abschließender Blick in Tietjes Privatissimum und dann zurück zum
Auto. Vielleicht gab es zu Madame Alice ja noch einen Nachnamen und ein Gesicht?
    Von Tietjes
Schlafzimmerwand aber lachte mich eine ganz andere Person an, und zwar unter eher
merkwürdigen

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