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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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bist.«
    »Das war
nicht Tietje. Außerdem hätte er 1000 andere Möglichkeiten, mir aufzulauern, wenn
er weiß, wo ich gerade stecke. Pass du lieber auf dich auf! Wo wirst du übernachten?
Bei deiner Großmutter?«
    »Ja. Sie
wollte uns bei Nachbarn unterbringen, aber jetzt, wo ich allein bin, kann ich auch
bei ihr schlafen.«
    »Gut. Bleib
einfach im Haus. Es wird schon nichts passieren.«
    »Und du?
Fährst du heute Nacht noch zurück?
    »Kommt darauf
an, was ich in Kienbaum vorfinde. Kannst du mir einen Hausschlüssel unter den Fußabtreter
legen?«
    »Klar.«
Sie beschrieb mir, wo sie den Schlüssel deponieren wolle, wo im Haus sich das Wohnzimmer
und wo im Wohnzimmer sich das Sofa befinde. Dann wünschte sie mir alles Gute.
    »Und jetzt
ab ins Bett mit dir«, sagte ich. »Du hast einen Halbmarathon in den Knochen.«
    »Hätte ich
fast vergessen.« Sie legte auf.
    Halb zehn.
Viel Verkehr war nicht, ich kam gut voran. Trotzdem ging es mir zu langsam. Ich
suchte im Radio nach einem Sender, bis ich ein Lied zum Mitgrölen gefunden hatte.
Ein alter Stones-Song vom Street fighting man ... Danach kam nur Mist, also aus
mit der Kiste.
    Halberstadt,
Magdeburg, Potsdam. Brücken, Verkehrsschilder, Windräder. Irgendwann war der Moloch
Berlin ganz nahe, ich erkannte es am gelb flimmernden Horizont linkerhand. Jetzt
konnte es auch bis Kienbaum nicht mehr weit sein. Ich nahm den Autoatlas vom Beifahrersitz
und legte ihn auf das Lenkrad. War mein eigenes Navi. Ein rotes Kreuz zeigte die
Lage des Bundesleistungszentrums an. Berliner Ringautobahn, Ausfahrt Erkner, später
die B 1/B 5, die ich bereits im Schlepptau Tietjes kennengelernt hatte. Märkische
Eintönigkeit. Immer wieder Hinweisschilder auf kleinere und größere Gewässer.
    Kurz vor
der Abzweigung nach Kienbaum meldete sich erneut mein Handy.
    »Karst hier,
guten Abend. Katinka sagte, Sie bräuchten meine Hilfe.«
    »Ja, sieht
so aus. Ich habe vorhin einen Anruf bekommen, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Vielleicht
löst sich das Ganze in Wohlgefallen auf, vielleicht aber auch nicht. Ich bin in
zehn Minuten bei Ihnen. Sie haben doch die Schlüssel zur medizinischen Abteilung?«
    »Natürlich.«
    »Können
wir uns bei der Einfahrt treffen? An den Parkplätzen?«
    »Okay.«
    »Gut, dann
bis gleich.«
    Das nannte
man wohl Punktlandung. Ohne den Arzt wäre mir der Gang zur Rezeption nicht erspart
geblieben. Und einen Dynamiker wie Karst an meiner Seite zu wissen, hatte etwas
Beruhigendes.
    Kurz danach
eilten wir im Licht der rot lackierten Kienbaum-Laternen zur medizinischen Abteilung.
Dr. Karsts Schlüsselbund öffnete uns sämtliche Türen des verwaisten Gebäudes.
    »Ich war
den ganzen Tag in Berlin«, erzählte er, »und habe erst nach meiner Ankunft die Mailbox
abgehört.«
    »Hat ja
alles noch wunderbar geklappt. Was sagt Ihre Familie dazu, dass Sie sogar an Ostern
arbeiten?«
    Er lachte.
»Irgendwann kommt der Tag, an dem meine Kinder fragen, was der fremde Mann in ihrem
Haus will. So ist es halt in diesem Job. Aber morgen fahre ich ihnen nach an die
Ostsee.«
    Auch der
Eingang zur Kältekammer war abgeschlossen. Karst unterdrückte ein Gähnen, als er
aufsperrte. »Bitte«, sagte er und ließ mir den Vortritt.
    Von Kälte
zunächst keine Spur. Im Gegenteil, es war sogar ziemlich warm da drin. Ich betrat
einen kleinen Raum mit einer Vielzahl von Apparaturen. Direkt vor mir befand sich
eine breite, mit einem Hebel zu öffnende Tür. Eine blaue Aufschrift verriet, wohin
sie führte: »Icelab«. Mein Blick fiel auf ein Steuerungspult linker Hand, auf dem
rote Ziffern glommen. Ich las: »11,2« – »60,8« – »109,4«. Und vor jeder Zahl stand
ein Minus.
    Hinter mir
ließ Dr. Karst ein entsetztes Schnaufen hören. »Da ist jemand«, stieß er hervor.
»Da, in Kammer drei!«
    Ich drehte
mich um und sah ihn auf einen Monitor an der rechten Wand weisen. Vier Stück von
der Sorte hingen dort: Einer zeigte uns selbst, also den Vorraum mit seinen beiden
nächtlichen Besuchern, auf zwei anderen waren bloß leere Kammern zu sehen und auf
dem vierten – ein Mensch. Regungslos lag er da, Bauch nach unten, Gesicht zur Seite
gedreht.
    »Wir müssen
rein!«, rief ich.
    »Moment!«
Karst stürzte nach links, um irgendwelche Knöpfe zu betätigen. »Sie brauchen Handschuhe.
Und halten Sie sich was vor den Mund! Mehr als eine Minute dürfen wir nicht drin
bleiben.«
    Er reichte
mir ein Paar weiße Stoffhandschuhe, die ich hastig überstreifte. Dank seiner beruflichen
Routine war

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