Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
Vom Netzwerk:
wurde.«
    »Klingt
logisch«, sagte ich und hoffte, dass er recht hatte. Tod war nicht gleich Tod. Wenn
Tietje schon hatte sterben müssen, dann bitte kurz und schmerzlos – und nicht bei
vollem Bewusstsein, hinter der verrammelten Tür einer Anti-Sauna.
    Aber tot
war er. Und wie, um alles in der Welt, sollte ich das Katinka beibringen?
    »Rufen wir
die Polizei«, sagte ich, mehr zu mir als zu Karst. Ich zog mein Handy und wählte
nach kurzem Zögern die Nummer von Kommissar Fischer. Er war noch wach und erstaunlicherweise
bestens gelaunt, obwohl – nein: weil – ich ihn im beim Fernsehen störte. Eine Zumutung
von Osternschnulzenzweiteiler, erklärte er, zu dem ihn seine Frau verdonnert habe.
Hand in Hand säßen sie da, was ohne Alkohol nicht auszuhalten sei. Ja, er werde
unbürokratisch und auf dem kleinen Dienstweg die Kollegen in Berlin und Brandenburg
benachrichtigen, aber natürlich kenne er dort zuverlässige Leute, was glauben Sie,
Herr Koller, die biegen in fünf Minuten mit Blaulicht um die Ecke von diesem Kienspan.
    »Kienbaum«,
sagte ich.
    Korrekt.
Und ob ich morgen um dieselbe Zeit nicht noch mal anrufen könne. Wenn Teil zwei
des Schmachtfetzens anstehe.
    »Grüßen
Sie Ihre Frau, Herr Fischer.« Ich legte auf. Als ich mich im Nacken kratzen wollte,
brachen ein paar Haare ab. Sie waren wohl feucht gewesen und in der Kammer sofort
zu Eisfäden gefroren.
    Karst hustete
vor sich hin.
    Was danach
folgte, gehorchte dem üblichen polizeibehördlichen Drehbuch der Taterfassung, nur
dass dieses Drehbuch mitten in der Nacht noch langweiliger war als am Tag. Zäh wie
Kaugummi zog sich die Handlung: Anmarsch der Beamten, Befragung der Zeugen, Absperrung
des Tatorts, fotografische Dokumentation. Der Polizeiarzt zog einen Flunsch und
suchte bei Dr. Karst um kollegialen Rat nach, ein Polizist nach dem anderen erklärte,
so etwas habe er noch nie gesehen. In seinem ganzen Polizistenleben nicht. Ich stand
dabei und fühlte mich im falschen Film.
    »Warum habe
ich eigentlich meine Wintersachen eingemottet?«, knurrte einer der Kriminaltechniker,
bevor er das Icelab betrat.
    Die Kienbaum-Verwaltungsspitze
eilte herbei und zog bestürzte Mienen. Dieselben Aussagen in Grün: Noch nie sei
etwas Derartiges in der Kältekammer vorgefallen, kein Unfall, kein Zusammenbruch,
nichts. Geschweige denn ein Mord. Die Beamten schauten skeptisch. Hinter dem Rücken
der Kienbäumer sprachen sie von der Kammer des Schreckens und bewiesen damit nur
ihre Ahnungslosigkeit gegenüber dem, was sich noch alles an Folterkabinetten auf
dem Gelände befand. Karst und ich wurden befragt, bis wir schielten, und als wir
vor Erschöpfung keinen Satz mehr bis zum nächsten Punkt durchformulieren konnten,
hieß es, wir sollten uns in den folgenden Tagen zur Verfügung halten.
    »Ich bin
eingeladen«, gähnte ich. »Geburtstag Oma. Harz.«
    »Wir brauchen
eine Telefonnummer, unter der Sie erreichbar sind.«
    Ich gab
ihnen meine Handynummer. Im Gegenzug sorgten sie dafür, dass ich ein Zimmer in einem
der Pavillons bekam, das mir für eine kurze Nachtruhe zur Verfügung stand. Bevor
ich zu Bett ging, es war gegen vier Uhr, beantwortete ich die beiden SMS, die mir
Katinka geschickt hatte.
    »Tietje
ist tot«, schrieb ich. »Alles Weitere morgen. Komme zum Kaffee.«
    Dann zog
ich mir fröstelnd die Bettdecke bis ans Kinn.
     
     
     
     

25
     
    »Es könnte sein«, sagte Katinka,
den Blick fest auf ihren Teller gerichtet, »es könnte sein, dass ich in London nicht
antrete.«
    Nach diesen
Worten herrschte Stille. Während Katinkas Mutter die Stirn in Falten warf, sah ihr
Vater verblüfft von einem zum anderen, als müsse er sich vergewissern, aus wessen
Mund dieser Satz gedrungen war. Auch der Rest der Familie – zwei Tanten und ein
Cousin mit seiner Frau – schaute betroffen in die Runde. Heiner Glück war der Einzige,
der weiteraß. Geräuschlos. Bis ein Machtwort des Geburtstagskindes das Schweigen
beendete.
    »Unsinn«,
sagte Katinkas Oma energisch. »Nicht antreten? Das wäre doch gelacht, Kleines!«
    Ja, vielleicht
wäre es das. In diesem Moment allerdings lachte niemand. Trotzdem schaffte es Oma
Glück, die kleine, immer noch drahtige Frau mit den wachen Augen, die Verkrampfung
rund um den Tisch zu lösen. Ihr Sohn, Katinkas Vater, begann vor sich hin zu grummeln,
eine Tante rammte ihre Gabel in die Kirschtorte, und der Cousin tönte: »Wie kommst
du denn darauf?«
    »Das meinst
du nicht ernst«, sekundierte ihre Mutter.
    »Jetzt hast
du

Weitere Kostenlose Bücher