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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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er schneller als ich mit dem Anziehen fertig und hebelte die Tür zu
den Kältekammern auf. Diesmal ging er selbst voraus.
    Ich folgte
ihm in einen Raum, der ebenfalls nur wenige Quadratmeter maß. Die erste Kammer,
minus zehn Grad kühl. Nackte Wände, kein Anlass zu verweilen. Karst war bereits
an der nächsten Tür. Ein Temperatursturz von 50 Grad wartete auf uns. Dass meine
Haut angenehm überrascht reagierte, lag wohl an der extrem trockenen Luft. Aber
dann atmete ich aus Versehen tief ein, und vorbei war es mit der Erfrischung. Als
der Arzt die letzte Tür öffnete, presste ich meine Hand gegen den Mund. Minus 110
Grad. Wer dachte sich so was aus?
    Auch die
dritte Kammer war klein und kahl. Schneekristalle rieselten um uns herum, als wir
sie betraten. Auf dem Boden lag Privatdetektiv Tietje, steifgefroren wie ein Brett.
    Nein, wie
kein Brett. Denn welches Brett wäre jemals solchen Temperaturen ausgesetzt gewesen?
    Dr. Karst
beugte sich zu dem Toten herab. Ein kurzer, wirklich sehr kurzer Griff an Tietjes
Hals, dann richtete er sich wieder auf. Sein Blick blieb am Hinterkopf der Leiche
hängen. Zwischen den weiß überzogenen Haaren war eine dunkel unterlegte Masse zu
erkennen, die man mit etwas Fantasie für gefrorenes Blut halten konnte.
    »Raustragen?«,
fragte ich.
    Kopfschütteln.
»Am Boden festgefroren.« Karst zeigte zum Ausgang. »Gehen wir lieber.«
    Ich hatte
nichts dagegen. Das Gefühl der Frische, das ich beim Eintreten empfunden hatte,
war sehr schnell dem einer akuten Beklemmung gewichen. In meiner Nase spürte ich
ein Prickeln als Vorboten von Schmerzen.
    Wir machten,
dass wir hinauskamen. Vor meinen Augen spielte sich eine makabre Szene ab: zwei
hilflose Helfer, die versuchen, einen steifgefrorenen Körper in die Höhe zu hieven.
Ein Ruck am Kopf, und das halbe Gesicht bleibt am Boden hängen …
    Ich schüttelte
mich. Aber nicht vor Kälte.
    Als ich
den Vorraum erreicht hatte, stützte ich mich am Türrahmen ab und atmete tief durch.
Dabei ging es mir noch prächtig, jedenfalls im Vergleich zu Dr. Karst. Erst torkelte
er, dann sackte er in die Knie. Ich erwischte ihn am Arm, langte mit der anderen
Hand nach einem Stuhl und dirigierte ihn auf die Sitzfläche. Ein paar Sekunden lang
schwiegen wir uns an.
    »Danke«,
murmelte er schließlich und wischte sich über das Gesicht, das genauso weiß war
wie sein Handschuh. »Der Kreislauf. Wird gleich wieder.«
    Mein Blick
fiel auf den Monitor mit Tietjes einsamer Gestalt. »Wie lange überlebt man in so
einem Raum?«
    Achselzucken.
»Hat das jemand mal getestet? Eine Viertelstunde vielleicht.« Er sah mich aus grauen
Augen an. »Können wir hier raus? Ich brauche ein Glas Wasser.«
    Etwas Ähnliches
wollte ich auch gerade vorschlagen. Karst hatte sämtliche Türen der Kältekammern
offengelassen. Auf den Monitoren sah man, wie sich ein Raum nach dem anderen langsam
mit Nebel füllte. Umso rascher veränderten sich die Zahlen auf dem Display mit der
Temperaturanzeige.
    Ich zog
die Handschuhe aus, legte sie in den Korb zu den anderen, wo es auch Mundschutze
und Stirnbänder gab, und verließ den Raum. Karst folgte mir wacklig.
    Im Atrium
des Gebäudes bedienten wir uns beide an einem Wasserspender. Der Arzt, immer noch
leichenblass, suchte sich gleich wieder einen Sitzplatz. Ein Profi, der Emotionen
zeigte. Sein jugendlicher Elan war wie weggeblasen. Schockgefroren, sollte ich wohl
sagen.
    »Wer ist
das?«, fragte er mit leerem Blick. »Und woher wussten Sie …?«
    »Wie gesagt,
ich bekam einen Anruf. Anonym.«
    Er schwieg.
    Ich zeigte
auf den Eingang zum Icelab. »Sämtliche Türen waren abgeschlossen, als wir kamen,
richtig?«
    »Ja, alle.«
    »Das heißt,
die Täter hatten einen Schlüssel. Woher?«
    »Da müssen
Sie in der Verwaltung nachfragen. Ich weiß nicht, wer außer uns Medizinern hier
Zutritt hat.«
    »Waren Sie
heute in der Kältekammer?«
    »Nein. Ich
war seit dem Morgen in Berlin.« Er setzte sich etwas aufrechter. »Der Mann … also,
ich schätze, er war schon tot, als er in die Kammer gebracht wurde. Zumindest ohnmächtig.«
    »Sie meinen,
wegen der Kopfwunde?«
    »Die Kammertüren
sind nicht verschließbar. Man kann dort niemanden einsperren.«
    »Verrammeln
könnte man sie.«
    »Womit denn?
Außerdem hätten wir ihn dann nicht mitten im Raum gefunden, sondern direkt an der
Tür.« Er atmete tief durch. »Wie auch immer, die Verletzung am Hinterkopf zeigt,
dass er niedergeschlagen und dann ins Icelab gebracht

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