Gluecksstern mit Schwips
Folie abgedeckt. Anscheinend waren wir die letzten Gäste, die noch einen Döner bekommen haben. Die Alte kommt näher, dabei wird sie von einem leisen Klingeln begleitet, das von den unzähligen Ketten herrührt, die sie um ihren Hals und die Hände geschlungen hat. Sie lächelt erneut und legt ein Paar goldbeschlagener Zähne frei. Oha! Im Geiste danke ich meiner Mutter, dass sie so viel Wert auf meine Zahnpflege gelegt hat. Alles sieht so aus wie vorhin, als wir gegangen sind. Von meiner Handtasche aber keine Spur.
„H-a-b-e-n S-i-e m-e-i-n-e H-a-n-d-t-a-s-c-h-e g-e-s-e-h-e-n?“, frage ich betont deutlich. Vielleicht spricht die Alte ja kein Deutsch?
Anstatt zu antworten, schnappt sich die Frau meine Hand. Ehe ich es verhindern kann, dreht sie meine Handfläche nach oben. Ihre Augen verengen sich, während sie auf meine Hand starrt. Ich halte instinktiv die Luft an. Du meine Güte, wo bin ich da nur wieder hineingeraten. Ich habe keine Ahnung, was hier gerade vor sich geht. Die Frau wiegt ihren Oberkörper leicht hin und her. Mit dem Zeigefinger fährt sie eine der Linien auf meiner Handfläche entlang, dabei murmelt sie leise vor sich hin. Eine Gänsehaut kriecht träge wie eine Schnecke meinen Rücken empor. Völlig unvermittelt lässt die Alte meine Hand wieder los. Ich sehe sie fragend an. Statt etwas zu sagen, schlurft sie davon und verschwindet hinter einem Perlenvorgang ins Nebenzimmer. Mich lässt sie einfach stehen.
Was soll ich jetzt machen?
Weggehen und morgen wiederkommen?
Nein, in der Tasche ist alles, was mir wichtig ist: mein Handy, meine Geldbörse, mein Moleskin mit all meinen persönlichen Daten und Nummern. Ich weiß, ich sollte nicht so unvorsichtig sein. Florian schimpft mich deshalb auch gelegentlich aus, aber ich habe eben immer gern alles bei mir. Man weiß ja nie, was passiert. Es könnte ja schließlich sein, dass ich spontan weg muss. (Was zugegebenermaßen eigentlich nie vorkommt.) Be prepared lautet mein Motto!
Im Hintergrund sind laute Stimmen zu hören. Eine Frauenstimme, wahrscheinlich die der Alten und ... Ist das Hassan? Ich kann leider kein Wort verstehen, da die beiden Türkisch miteinander reden. Ungeduldig warte ich.
„Hallo, Hassan?“, rufe ich schließlich.
Der Vorhang raschelt, und Hassans Kopf taucht zwischen den Perlen auf. „Junge Frau.“ Er kommt mit erhobenen Armen auf mich zu. In der Hand hält er meine Tasche. „Entschuldige du bitte mein Mutter!“
Ahhh! Die Giftmischerin! Das erklärt alles. Jetzt bin ich wenigstens erleichtert. Ich hatte schon ein komisches Gefühl.
„Ist manchmal ein bisschen ...“ Er macht mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung neben der Schläfe.
Ich winke ab. „Kein Problem. Ich habe meine Handtasche vergessen.“ Ich deute auf das gute Stück, das noch immer an Hassans Arm baumelt.
„Habe ich Tasche von Fräulein sicher genommen. Ist alles noch drin“, verkündet er stolz. „Nix klauen. Willst du gucken?“
Für einen Moment bin ich tatsächlich versucht, den Inhalt meiner Tasche zu kontrollieren, aber dann entscheide ich mich dagegen. Man muss seinen Mitmenschen schließlich vertrauen.
Meine Leichtgläubigkeit war schon immer ein Problem. Ich glaube jedem, der an meiner Haustür klingelt und nach einer Spende für den „Guten Zweck“ fragt. Und ich glaube jedem Politiker, wenn er behauptet, er habe nur im Interesse seiner Wähler gehandelt. Ich finde es schön, an das Gute im Menschen zu glauben. Selbst als Bernd, mein Exfreund, mich betrogen hat, habe ich ihm geglaubt, dass es rein körperlich war und nichts mit seinen Gefühlen zu mir zu tun hätte. Trotzdem habe ich Schluss gemacht. Das Eine hat mit dem Anderen eben nichts zu tun.
„Nein, ist schon gut.“ Ich klemme mir die Tasche unter den Arm.
„Halt. Fräulein kann nicht einfach gehen.“ Er lächelt mich breit an. „Musst vorher noch ein Glas auf Freundschaft mit Hassan trinken.“
„Das ist jetzt wirklich ein bisschen schlecht ...“, druckse ich. „Es ist schon ganz schön spät , und ich habe schon viel zu viel getrunken ...“ Hassan verzieht beleidigt das Gesicht. „... Also gut“, willige ich ein.
Ein Strahlen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Er schnalzt mit der Zunge und macht eine einladende Geste. Keine zwei Minuten später sitze ich zusammen mit Hassan an dem kleinen Holztisch direkt neben dem Eingang. Mir ist immer noch leicht schwindlig. Der Perlenvorhang raschelt und kündigt die Alte an. Sie trägt ein Tablett mit
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