Glueckstankstellen
gesehen, bieten religiöse Glaubensvorstellungen sehr wohl einen evolutionären Ãberlebensvorteil.
Ein Leben ohne Glückstankstellenâ
z. B. Isolationshaft
»Du bist nicht glücklich, wenn du einsam bist.«
Ludwig Börne
Tausende von Menschen fristen weltweit ihr Leben in Isolationshaft; allein rund 2 0 000 davon in den USA . Auch in Deutschland ist die Isolationshaft nicht eindeutig gesetzlich geregelt, sodass sogar hierzulande Gefangene unter Umständen damit rechnen müssenâ und dies, obwohl sie weltweit von allen Menschenrechtsbewegungen geächtet wird. Schon 1842 protestierte der Schriftsteller Charles Dickens gegen diese Form der Haft und bezeichnete sie als » weiÃe Folter«, da sie äuÃerlich keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Auch Gefangene benötigen Kontakt zu anderen Menschen, um in psychischer Gesundheit zu überleben. In der Isolationshaft schneidet man sie von allen Glückstankstellen ab, was zutiefst menschenunwürdig und grausam ist. Sie können keine Bindungshormone aufbauen und sind deshalb schwersten Depressionen und Ãngsten ausgesetztâ ebenso wie Opfer von Entführungen, denen diese Tortur ebenfalls widerfahren kann.
Wir sollten auÃerdem achtsam und sensibel sein, wenn es um die Unterbringung von Kranken, Alten, straffällig gewordenen Jugendlichen, Kindern oder geistig Behinderten in Heimen geht. In derartigen Einrichtungen wurden vor noch nicht allzu langer Zeit Menschen misshandelt, weggesperrt, angebunden usw. Wir benötigen in allen Lebenslagen Kontakt und Bindung zu unseren Mitmenschen.
An zwei sehr berührenden Beispielen möchte ich darstellen, was das Abgeschnittensein von der Welt bedeutet.
Natascha Kampusch
Die junge Frau schildert in ihrem Buch 3096 Tage auf sehr sensible Weise ihre über acht Jahre andauernde Isolationshaft. Als zehnjähriges Mädchen wird Natascha Kampusch von dem unauffälligen, 34 -jährigen Wolfgang Priklopil entführt und in ein kleines unterirdisches Verlies gesperrt. Natascha wird von einer Minute zur anderen aus ihrem Leben gerissen und von allen wichtigen Glückstankstellen abgeschnitten: Mutter, Oma, Vater, Freundinnen, Schuleâ wie vom Erdboden verschluckt. Finsternis, Hunger, Erniedrigung, Qual und Depressionen, aber auch Kampfgeist und Durchhaltevermögen begleiteten das Mädchen jahrelang. Warum konnte sie nicht früher flüchten, fragen sich viele.
Der Täter drohte dem Mädchen immer wieder, neben ihr alle zufällig Anwesenden und auch sich selbst zu töten, falls sie fliehen würde. Der Selbstmord des Täters noch am selben Tag von Natascha Kampuschs Flucht zeigt, wie richtig sie diese ständige Bedrohung eingeschätzt hatte und wie berechtigt ihre Angst war. Deshalb lieà sie auch aus ihrem groÃen Verantwortungsgefühl heraus einige Fluchtmöglichkeiten verstreichen, um Anwesende nicht zu gefährden.
Es ist sehr ergreifend zu lesen, wie Priklopil Natascha nach Jahren der Gefangenschaft erstmals erlaubte, nachts für zehn Minuten die kleine Glückstankstelle Garten zu betreten, und sie ihren Peiniger darum bat, ein wenig Grün mit in ihr Verlies nehmen zu dürfen.
Der Geruch von Franzbranntwein versetzte Natascha für kurze Zeit in die frühere Welt der Geborgenheit mit ihrer GroÃmutter zurück. Und sie schaffte es, über bewusste Denkprozesse mit der imaginären erwachsenen 18 -jährigen Natascha einen Plan zu entwickeln: Die groÃe Natascha sollte der kleinen helfen, wenn sich einmal eine Möglichkeit dazu ergab.
Wie hat sie diese schreckliche Isolationshaft überlebt? Sie hat die einzige Glückstankstelle genutzt, die vorhanden war, nämlich die Beziehung zu ihrem Peiniger. Obwohl er ihr die Freiheit und Kindheit raubte, sie in ein muffiges Verlies sperrte und sie quälte, war er doch gleichzeitig auch ihr Versorger, Vaterersatz und Lehrer. Sie schaffte es, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Dadurch gelang es ihr, ihn zu verstehen. Ohne Bindung zum Täter hätte sie diese Isolation nicht überstehen können. Nur so konnte sie sicher sein, dass der Mann sich um sie kümmert und nach ihr sieht.
In einer Fernsehdokumentation 2010 verriet sie ihr Geheimnis. Sie sprach darüber, wie es ihr gelang, trotz ihrer extrem leidvollen Situation Mitgefühl für ihren Peiniger zu entwickeln. Die Verletzungen aus der Kindheit hätten ihn wohl fehlgeleitet. Deshalb sei
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