Glueckstreffer - Roman
und schwieg. Doch Ellen blieb nicht verborgen, dass er gern mehr erfahren wollte.
»Es war nach Dienstschluss«, erklärte sie. »Ich habe den Mädchen nie erzählt, was wirklich passiert ist. Ich wollte sie nicht ängstigen. Wenn sie gefragt haben, habe ich immer nur gesagt: Er war ein mutiger Mann. Er ist in Ausübung seiner Pflicht gestorben.«
Garrett warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Aber was hätte ihnen denn Angst machen sollen?«
Ellen seufzte tief. »Komm, setz dich erst mal.« Und als sie beide Platz genommen hatten, fuhr sie fort: »Hat Sophie dir je erzählt, dass ich immer gesagt habe, alles habe seinen Sinn … auch die schlimmen Dinge, die passieren?«
»Ja, das hat sie erwähnt. Aber um ehrlich zu sein … Ich glaube nicht, dass sie deine Meinung teilt.«
»Ich weiß. Aber eines Tages wird sie es vielleicht tun. Zumindest hoffe ich das. Für Sophie und Evalynn die Ersatzmutter zu sein, war für mich ein Segen. Aber wenn ich Rick nicht verloren hätte, wäre es dazu wohl nie gekommen. Besonders Sophie war mein Silberstreif am Horizont.«
»Wie das?«
»Das ist kompliziert. Hast du Zeit?«
Garrett nickte.
»Gut. Ich fange am besten bei Rick an. Wir haben uns auf der Polizeischule kennengelernt. Danach sind wir als Berufsanfänger demselben Revier zugeteilt worden … mit einundzwanzig. Ein Jahr später haben wir geheiratet. Zwei Jahre später wollte ich Kinder …« Sie schluckte hart. »Doch es stellte sich heraus, dass ich keine Kinder bekommen konnte. Wir haben alles versucht. Einen Spezialisten nach dem anderen konsultiert. Schließlich hat man uns gesagt, die Lage sei hoffnungslos. Also haben wir über Alternativen nachgedacht. Die Adoption eines Kindes war eine, die wir ernsthaft erwogen haben. Durch unseren Beruf wussten wir allerdings auch, dass händeringend zuverlässige Pflegefamilien gesucht wurden. Nach langen Diskussionen haben wir beschlossen, es mit Pflegekindern zu versuchen. Dazu mussten wir gewisse Voraussetzungen erfüllen. Unsere Anerkennung durch die Sozialbehörde stand kurz bevor, als Rick starb.«
Garrett musterte sie überrascht. »Ich verstehe nicht … Wie sollte sein Tod da auch nur ansatzweise etwas Gutes gehabt haben?«
Ellen senkte den Blick, bevor sie ihm direkt in die Augen sah. »Manche mögen es Zufall nennen, aber für mich war es Vorsehung. Sophie ist in der Nacht zur Waisen geworden, als ich zum ersten Mal nach Ricks Tod wieder Dienst getan habe. Es hat wohl so sein sollen.«
Garrett räusperte sich. »Inwiefern?«
Ellen seufzte. »Ich hatte eine zwei Monate lange Auszeit genommen. Musste mich erst in meiner neuen Situation zurechtfinden. Rick zu verlieren, war eine sehr schmerzliche Erfahrung. Ich hatte damals, als es passiert ist, eine doppelte Schicht übernommen – eine Kollegin war krank geworden. Rick hatte das Revier bereits verlassen und war auf dem Heimweg, ich war noch auf Streife. Gegen Ende meiner zweiten Schicht kam über Funk die Durchsage, alle verfügbaren Streifenwagen sollten zu einer Adresse in Seattle fahren. Ein Kollege sei nach Dienstschluss erschossen worden.« Ellen verstummte und sah Garrett an. »Es war unsere Adresse.«
Garrett verschlug es im ersten Moment die Sprache. »Großer Gott, Ellen! Das ist ja furchtbar!«
Ellen lächelte schwach. »Ich bin hingefahren, so schnell ich konnte, aber da war nichts mehr zu machen. Rick war bereits tot. Wie sich herausstellte, hatte er am frühen Abend das Mitglied einer Straßengang verhaftet, die einen Laden ausgeraubt hatte. Das Zeichen der Gang war mit einem Messer in unseren Türpfosten geritzt, als ich ankam. Schätze, einer der Jungs, die entkommen konnten, hat Rick vor dem Revier aufgelauert, ist ihm nach Hause gefolgt und hat ihn erschossen, als er die Haustür öffnete.«
Garrett verstand plötzlich, weshalb Ellen die Tür stets nur zögerlich öffnete. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber ich verstehe noch immer nicht, wo das Gute darin liegt?«
Ellen zuckte mit den Achseln. »Nachdem ich den ersten Schock überwunden und eine neue Wohnung gefunden hatte, habe ich beschlossen, mich weiterhin als Pflegemutter zu bewerben. Rick wollte nur Jungen aufnehmen. Und das wäre auch geschehen, wäre er nicht gestorben. Ich war jedoch während der Trauerzeit zu dem Schluss gekommen, dass eine alleinstehende Frau vielleicht besser mit einem Mädchen zurechtkam. Mit diesem Entschluss im Hinterkopf habe ich meinen Dienst wieder angetreten. Und in jener ersten Nacht bin ich
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