Glueckstreffer - Roman
fuhren sie ins 13 Coins , ein Restaurant in Seattle, das für seine Livemusik berühmt war. Sophie hatte es für das Essen mit den Beteiligten der Hochzeitsprobe ausgewählt, weil es über einen sogenannten »Room Thirteen« verfügte. Das war ein Saal, der für private Feiern gemietet werden konnte und genügend Platz für ein Essen in großem Rahmen bot. Der Geschäftsführer des Restaurants hatte sie zu einer Besprechung der Speisefolge und der Verkostung des Dessertangebotes gebeten.
Nachdem sie sämtliche Cremes und Törtchen durchprobiert hatten, stand ihnen allen der Sinn nach deftigerer Kost. Garrett drückte diverse Knöpfe auf seinem Navigationsgerät, und eine Liste von Restaurants in der näheren Umgebung erschien auf dem Display.
»Worauf hast du Lust, Soph?«
»Das überlasse ich dir. Ich mag alles.«
»Sicher?«
Sophie legte die Hand auf sein Knie. »Natürlich. Ich lass mich überraschen.« Sie lächelte. »Nur eine Bitte! Keine Augenbinde.«
»Gewährt.« Er drückte noch ein paar Tasten, fand ein Restaurant und startete den Motor.
Die Navi-Stimme gab regelmäßig Anweisungen, sodass Garrett problemlos durch die Einbahnstraßen kam, die Fahrbahn wechselte und einige U-Turns vollführte, bis sie schließlich zu einem japanischen Restaurant gelangten, das knapp über sechs Kilometer entfernt lag.
»Ich kenne das Lokal«, sagte Sophie leise wie zu sich selbst und stieg aus dem Auto.
»Wirklich? Bist du schon mal hier gewesen?«
Sophie kaute nervös auf ihrer Unterlippe. Erinnerungen kamen in ihr hoch. »Ist sehr lange her«, murmelte sie kaum hörbar.
Es handelte sich um ein Hibachi-Restaurant, in dem mehrere außerordentlich versierte Küchenchefs mit wirbelnden Messern auf heißen, in die Tische eingelassenen Platten die Gerichte vor den Augen der Gäste zubereiteten. Garrett hatte vor allem diese Art der Zubereitung hierhergelockt, doch Sophies seltsames Verhalten ließ ihn ahnen, dass irgendetwas nicht stimmte.
Nachdem die Empfangsdame ihnen einen Tisch zugewiesen hatte, fragte er sie leise, was mit ihr los sei.
»Das ist das Restaurant«, gestand sie und sah sich um. »Es hat sich kein bisschen verändert.«
»Welches Restaurant?«
Sophie zog ihre Holzstäbchen aus der Papierhülle und brach sie auseinander. »Hier habe ich an meinem neunten Geburtstag mit meinen Eltern und meiner Großmutter gegessen. Gleich an dem Tisch dort drüben. Es war unsere letzte gemeinsame Mahlzeit.« Sie drehte sich um und deutete auf einen großen Tisch, wo einer der Köche Hühnerfleisch mit Teriyakisauce würzte. »Genau dort ist es gewesen.«
Garrett streichelte leicht über ihren Rücken. »Sollen wir lieber das Lokal wechseln?«
Sophie brachte ein Lächeln zustande. »Du bist lieb«, erwiderte sie und sah sich erneut im Restaurant um. »Eigentlich ist es gar kein schlechtes Gefühl, wieder hier zu sein. Vielleicht hätte ich schon viel früher herkommen sollen.«
Wenige Minuten später trat der Koch an ihren Tisch und begann mit seiner kulinarischen Show. Die Show war ähnlich eindrucksvoll, das Essen allerdings wesentlich weniger schmackhaft, als Sophie es in Erinnerung gehabt hatte. »Vielleicht hat die Geschäftsführung gewechselt«, vermutete sie gegenüber Garrett. »Ist immerhin zwanzig Jahre her.«
Nach dem Essen erschien die Empfangsdame mit einer Schale Glückskekse. Sie ging um den Tisch und von einem Gast zum anderen, bis sich jeder einen Keks aus der Silberschale genommen hatte.
»Ich dachte, Glückskekse sind eine chinesische Tradition«, bemerkte Garrett, als er nach dem letzten Keks griff.
Die Empfangsdame neigte höflich den Kopf. »Glückskeks asiatisch«, behauptete sie mit unüberhörbarem Akzent. »China liebt Kekse … Japaner lieben Glück.«
Garrett lachte. »Verstehe. Das muss ich mir merken. Ich dachte wirklich, es wäre eine chinesische Spezialität.«
Die Empfangsdame kicherte und beugte sich tiefer zu ihnen herab. »Eigentlich«, begann sie im verschwörerischen Flüsterton und plötzlich akzentfreiem Englisch, »sind Glückskekse die Erfindung eines japanischen Einwanderers in Amerika um 1900. Er hat begonnen, Sinnsprüche in die Kekse einzubacken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie dann zu einem Marketing-Gag der asiatischen Restaurantbesitzer in den USA. In China und Japan waren sie bis dahin völlig unbekannt.«
»Wirklich?«, bemerkte Sophie, von diesem historischen Exkurs amüsiert.
»Ich habe mir zwar einen falschen Akzent zugelegt, aber ich sage die
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