Glueckstreffer - Roman
Schließlich oblag die Beurteilung der Zuschriften und damit die Kontrolle über das Ergebnis allein ihr. Alles, was recht ist, sagte sie sich. Wenn ich das Treffen tatsächlich über mich ergehen lassen muss, zögere ich es so lange wie möglich hinaus.
Tief in ihrem Herzen wusste Sophie jedoch, dass es im Grunde nicht das Treffen war, das sie scheute. Viel mehr als alles andere fürchtete sie vor allem, dabei entdecken zu müssen, dass sie noch immer Gefühle für den Mann hegte, der ihr das Herz gebrochen hatte. Es war genau dieser Gedanke, der sie auch nachts nicht schlafen ließ. Zur Sicherheit hielt sie es daher für das Beste, ihm weiträumig aus dem Weg zu gehen. Sie wollte sich ihm nicht noch einmal mit Haut und Haaren ausliefern, um dann wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen zu werden.
Evalynns Stimme riss Sophie aus ihren Gedanken. »Entschuldige, dass wir so spät kommen, Sophie. Aber wir haben als Entschädigung für alle etwas zu essen mitgebracht. Vom Chinesen. Ist das okay?«
»Ja, natürlich, danke! Stell alles auf die Theke! Dann kann sich jeder bedienen.«
»Hat der Wahnsinn hier Methode?«, erkundigte sich Justin und betrachtete die Stapel von Briefen.
»Hm … nicht wirklich«, antwortete Sophie. »Vielleicht ist es ratsam, dass jeder die Briefe zuerst liest und sie dann einem Stapel zuordnet. Wir machen einen Stapel für die absolut inakzeptablen, einen für die eventuell akzeptablen und einen für die vielversprechenden Zuschriften.« Sophie sah Garrett an. »Vorausgesetzt, es gibt letztere Kategorie überhaupt. Was meint ihr?«
»Klingt vernünftig«, bemerkte Ellen. Sie saß auf einem Stuhl an der Wand, hatte eine Plastikkiste voller Post auf den Knien und blätterte in den Briefumschlägen, als suchte sie etwas Bestimmtes. »Sweets, gibt es irgendwelche Vorgaben dafür, was als Niete oder als vielversprechend zu gelten hat?«
Garrett lachte leise auf. »Ah, jetzt wird es spannend«, murmelte er.
Sophie warf ihm einen wütenden Blick zu, bevor sie ihrer Pflegemutter antwortete. »Ja, gibt es. Alles, was ordinär oder gemein klingt, kommt auf den Ausschussstapel. Dasselbe gilt für Vorschläge, die auf Männer und romantische Beziehungen zielen. Oh, und natürlich alles, was nicht von Dauer ist. Alles Weitere überlasse ich euerem Urteilsvermögen. Ich vertraue euch – jedenfalls den meisten von euch –, dass ihr die richtige Entscheidung trefft.«
»Und was ist mit den möglicherweise akzeptablen Vorschlägen?«, erkundigte sich Ellen. Sie hob einen Brief hoch, warf einen Blick auf den Absender und legte ihn dann auf einen Stapel mit ungeöffneten Kuverts, der sich neben ihrem Stuhl aufzutürmen begann.
»Unter diese Rubrik fällt alles, was nicht absoluter Mist ist, aber auch nicht besonders vielversprechend erscheint. Die eurer Ansicht nach ehrlich gemeinten, guten Vorschläge kommen auf den dritten Stapel.« Sophie sah in die Runde. »Noch Fragen?«
Garrett hob artig die Hand und wartete, bis Sophie ihm das Wort erteilte.
Sophie verdrehte die Augen. »Mr. Black?«
Garrett lächelte schüchtern. »Hm … Ist die Bluse neu? Steht dir gut.«
Sophie wandte sich stirnrunzelnd ab und hoffte, er würde auf diese Weise nicht bemerken, dass sie unwillkürlich rot wurde. »Noch irgendwelche Fragen bezüglich der Post?«
Justin und Garrett grinsten um die Wette.
In der folgenden Stunde arbeitete sich die kleine Gruppe durch die Papierberge, die sie entsprechend Sophies Anweisungen in drei Stapel sortierte. Es war schnell klar, nach welchen Schlüsselworten sie die Briefe überfliegen mussten, um Rückschlüsse auf das Thema des Vorschlags zu erhalten. Die Einzige, die nur wenig las, war Ellen, deren Stapel ungeöffneter Briefe schnell wuchs. Sie warf lediglich einen Blick auf den Absender. Wenn ihr nicht gefiel, was sie sah, legte sie den Umschlag auf ihren Stapel. Sophie beobachtete sie eine Weile und war versucht, sie nach ihrem System zu fragen, entschied sich jedoch dagegen. Falls es wichtig war, würde Ellen es ihr von sich aus erzählen.
Sophie war nicht sehr überrascht, dass die meisten Zuschriften das Thema »Wahres, dauerhaftes Glück« gründlich verfehlten. Die meisten Absender ergingen sich in Freizeitfreuden. So zum Beispiel eine Frau aus Louisiana namens Bobby, die Glück als »eine Harley, einen Helm und die Weite der Landstraße« definierte. Amy aus Boston schrieb, Glück sei »eine Woche an den ›heißen‹ Sandstränden von Bermuda«, während ein Mann
Weitere Kostenlose Bücher