Glueckstreffer - Roman
erkannte, dass sie jetzt unbehelligt ihrer Wege gehen konnte. Tatsächlich würdigte sie niemand eines Blickes, als sie lautlos die Eingangshalle verließ.
In sicherer Entfernung vom Postamt warf sie einen Blick auf den gelben Zettel. Es war eine Nachricht der Post, die sie darüber informierte, dass ihr Posteingang einen Umfang angenommen habe, der das Fassungsvermögen des Postfachs bei Weitem überstieg. Sie wurde gebeten, ihre Post bis auf Weiteres am Schalter abzuholen.
Niemals! Nicht noch einmal wollte sich Sophie in der Nähe des Postfachs sehen lassen. Sie würde sich die Post in den Laden nachschicken lassen.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte sie die Nachricht, dass die Anzeige derart großen Zuspruch gefunden hatte, erschreckt. Doch in diesem Augenblick war sie einfach nur froh, der Meute entkommen zu sein, ohne dass ihre Identität aufgedeckt worden war.
Erleichtert machte sie sich auf den Weg zurück zum Chocolats de Sophie .
Vier Stunden später saß Sophie zwischen Evalynn und Justin auf der Couch und schwankte zwischen Lachen und Weinen, während sie sich zum wiederholten Mal die Reportagen ansahen, die die Abendnachrichten beherrschten. Sie erzählten die schillernde Geschichte eines Obdachlosen aus Tacoma, dessen schlichte Anfrage in einem Zeitungsinserat laut Lori Acres »die Menschen gezwungen hat, einmal eingehender über das Wichtige in ihrem Leben nachzudenken und sich auf die Suche nach dem Glück zu machen. Damit gebe ich zurück zu Ihnen, Kip«.
Kapitel 22
Wenn du die Wahrheit offen ansprichst, hören die anderen dir ebenso offen zu.
Sie glauben dir zwar nicht, aber wenigstens hast du ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
ES VERGINGEN EINIGE TAGE, bis das Postamt Sophies Bitte nachkam, ihr die Post direkt ins Chocolats de Sophie zu liefern. Zu diesem Zeitpunkt waren fast zwei Wochen vergangen, seit sie die ersten drei Briefe erhalten hatte, und Sophie ahnte bereits, dass aufgrund des Medienspektakels wesentlich mehr Zuschriften zu erwarten waren. Wie viele es letztendlich jedoch werden sollten, überstieg ihre Vorstellungskraft.
Der Postbote, der mit seinem Lieferwagen am Samstagnachmittag vor dem Laden anhielt, betrat das Chocolats de Sophie mit der Frage, ob es einen besonderen Platz gebe, wo er die Post abstellen könne.
»Legen Sie sie einfach hier auf die Theke«, antwortete Sophie. »Ich sortiere sie dann zwischendurch aus.«
Der Mann lachte. »Das wird nicht funktionieren, Ma’am. Gibt’s noch einen anderen Platz?«
»Sind es denn so viele Sendungen?«
Er grinste. »Haben Sie vielleicht ein Hinterzimmer? Ich glaube, mit meiner Sackkarre komme ich bequem durch die Öffnung dort.«
»Also gut … Hm. Dann bitte ins Hinterzimmer damit.«
Der Postangestellte nickte, kehrte zu seinem Wagen zurück und öffnete die Ladeklappe. Ungläubig sah Sophie, wie er vier vollgefüllte Plastikkisten auf eine Sackkarre stapelte und sie durch die Ladentür rollte.
»Heiliger Strohsack«, entfuhr es ihr, als der Postbote die Sackkarre an ihr vorbei und weiter in die Küche schob. »Das kostet mich Tage – vielleicht Wochen –, bis ich alle gelesen habe!«
Der Postbote grinste spöttisch. »Das ist bei Weitem noch nicht alles.« Nachdem er den Kistenstapel an der Wand abgestellt hatte, kehrte er zu seinem Lieferwagen zurück und transportierte zwei weitere Fuhren in Sophies Küche. Als letzten Posten rollte er eine große Schachtel mit kleinen Päckchen unterschiedlicher Größe und Form herein, die nicht in die Plastikkisten gepasst hatten. »So, das wär’s«, verkündete er. »Viel Spaß damit, Ma’am.«
Sophie nickte abwesend und vermochte den Blick nicht von den Postbergen zu lösen. Der Postbote hatte die Ladentür längst hinter sich geschlossen, da starrte Sophie noch immer wie hypnotisiert auf das, was sie sich da eingebrockt hatte.
Wenige Minuten später schlug die Ladenglocke an, und Sophie hörte Randys vertraute Schritte. Im Durchgang zur Küche blieb er abrupt stehen.
»Du meine Güte!«, entfuhr es ihm. »Das ist ja … Das nenne ich aber wirklich Post satt!«
Sophie fuhr sich nervös durchs Haar. »Randy, wie soll ich das alles nur lesen? Kannst du mir das verraten?«
»Keine Ahnung. Aber Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Eins nach dem anderen, würde ich vorschlagen. Ist die beste Methode.«
Sophie drehte sich kurz zu ihrem spitzfindigen Angestellten um. Vergleiche mit dem klassischen Altertum hatte sie von ihm nicht erwartet. »Danke für die bildhafte,
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