GlücksWeib (heiterer Frauenroman) (German Edition)
Antlitz vor mir saß, nein thronte.
„ DESWEGEN!“, hörte ich mein Gewissen lästern und stand kurz davor, mich in Selbstmitleid aufzulösen, als Marlene mich daran hinderte und meine düsteren Denkanstöße in wollüstiges Wunschdenken verwandelte.
„Stell dir vor“, fuhr sie ungeniert fort : „Wir haben es gestern dreimal hintereinander getrieben, und wenn uns nicht heute Morgen meine Nachbarin im Hausflur begegnet wäre, als ich Mark an der Haustür verabschiedet habe, dann hätte er mich noch mal übers Treppengeländer gelegt.“
„Vielleicht hätte die Nachbarin gern zugeschaut?“, spekulierte ich weitsichtig.
„Ja“, pflichtet e sie mir ungeniert bei: „Wenn sie sein Teil gesehen hätte, dann wäre ihr der Mülleimer aus der Hand gefallen. Das ist kein Nürnberger Würstchen, sondern …“
„Eine Thüringer Bratwurst?“, mutmaßte ich matt.
„Ja, genau!“, bestätigte sie euphorisch.
Ich räusper te mich etwas, um die Anspannung zu lindern, die mich mit hinterhältiger Leichtigkeit erfasst hatte.
Dann lausch te ich Marlenes Worten mit der entrückten Aufmerksamkeit eines kleinen Mädchens der Märchentante. Folgte den Bewegungen ihrer formvollendet aufgespritzten Lippen und überlegte, ob die Dinger widerstandsfähig genug sind, einem intensiven Reibungsprozess standzuhalten – oder wie eine Brandblase aufplatzen. Marlene riss mich aus meinen Überlegungen und deutete mit einem verschwörerischen Blick auf meinen Schleifstein – erst verstand ich sie nicht.
„Das glaube ich nicht! Du erzählst mir Märchen“, glucks te ich.
„Doooch!“, versichert e sie eindringlich, nahm den Stein abschätzend in die Hand und bestätigte ihre Behauptung mit einem überzeugten Nicken.
Man muss wissen, dass dieser Schleifstein eine Länge von 25 Zentimetern und eine Breite von fünf Zentimetern aufweist. Da glaubt man doch gern wieder an Märchen.
9. Kapitel
Seit diesem Tag träumte ich auffallend oft von phallischen Schleifsteinen, Müll entsorgenden Hausfrauen, die mir verflixt ähnlich sahen und langbeinigen blondierten Spinnen, die mir das Blut aus den Adern saugten. Diese Träume ließen mich nachts schweißgebadet aufschreien, so dass ich sogar Caruso, meinen Papagei, in Mitleidenschaft zog.
„Toooosca … Toto … Tosca … krahh“, kräch zte er dann und ließ wild seine Flügel flattern. Dann wankte ich schlaftrunken auf ihn zu, streichelte ihn und versuchte, sanft auf ihn einzureden, bis er begann, eine Arie anzustimmen. Das war ein gutes Zeichen, denn dann hatten sich seine Nerven beruhigt.
Caruso gehörte ursprünglich meiner Nachbarin, die leider verstorben ist. Sie hatte m ich kurz vor ihrem Tod darum gebeten, während ihres Krankenhausaufenthalts ihren Papagei zu versorgen. Selbstverständlich konnte ich ihre Bitte nicht abschlagen und nahm Caruso in meine Obhut, mit dem nicht ganz uneigennützigen Gedanken im Kopf, nun einen amüsanten Zeitvertreib zu haben. Schließlich besaß Marlene mit ihrem „Puschel“ auch ein Tier. Und wenn man ein Tier zu Hause hat, so dachte ich, hat man ja auch viel mehr Gesprächsstoff, wenn man jemanden kennenlernt. Dann kann so ein Tier peinliche Gesprächspausen abfangen. In meinem Fall könnte dann Caruso weiterreden. Wie dem auch sei, jedenfalls wusste ich nicht, dass Carusos Namen eine tiefere Bedeutung zugrunde lag. Als ich Caruso bei mir aufnahm, saß er stundenlang in seinem Käfig und gab keinen Mucks von sich. Selbst als ich ihm entgegenkommend meinen Arm anbot, um ihn ein wenig spazieren zu tragen, zwickte er mich bloß in meine Hand, sträubte seine Federkrone und drehte mir seinen weiß und gelb gefiederten Rücken zu. Erst als ich anfing, mich mit feinem Lachsschinken bei ihm einzuschmeicheln, konnte ich seine Zuneigung gewinnen und durfte ihn dann als Lohn auf meinem Arm herumtragen. In diesem Moment war ich dermaßen stolz auf mich, als hätte ich es fertiggebracht, einen Löwen zu bändigen. Eine Stunde später aßen wir bereits vom gleichen Tellerchen und tranken aus dem gleichen Becherchen. Caruso erwies mir sogar die unschätzbare Ehre, sich auf meine Schulter niederzulassen und mir beim Abspülen des Geschirrs zuzuschauen. Eine Geste, die mich dazu bewog, mich mit dem Vogel näher bekannt zu machen.
„Ich heiße Tosca! Hast du verstanden … Tosca!“
Aber der Vogel ignorierte meine Bemühungen und putzte demonstrativ sein Gefieder. Was mich jedoch nicht davon abhielt, unermüdlich meinen Namen zu sagen, bis
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