Glühende Leidenschaft
rückte er abrupt von ihr ab. Sie spürte, wie sich die Decken bewegten, weil er einen Arm aus dem Bett streckte, und wie die Kälte hereinkroch.
»Was machst du?«
»Ich suche meine Taschenuhr.«
»Es ist stockfinster!«
Er sagte nichts, doch dann legte er sich wieder hin und strich die Decken glatt. »Da draußen ist es immer noch höllisch kalt.«
»Und das wird sich so schnell auch nicht ändern.«
»Du meinst, es kommt kein Diener herein, um ein Feuer zu machen? Die Pest soll sie alle hinwegraffen. Bleiben wir im Bett, bis Owain uns hier findet.« Ein leises Klingeln ließ Meg zusammenfahren.
»Was war das?«
»Meine Uhr. Sie sagt die Zeit an, auch im Dunkeln. Horch.«
Elf hohe Schläge, dann ein Klingelton. Und noch einer.
»Halb zwölf«, sagte Sax, doch die Uhr gab weiterhin ein Ticken von sich. Er zählte. Als sie verstummte, sagte er: »Du hast noch exakt achtzehn Minuten für deine Geschichte, meine Liebe. Also, mach weiter.«
Meg stöhnte, und sie hätte am liebsten nach ihm geschlagen, wenngleich sie nicht wusste, weshalb. Wahrscheinlich, weil er wieder zum glänzenden Jäger wurde. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass es solche Uhren gab, und bestimmt waren sie sagenhaft teuer. »Ich nehme an, dieses Ding ist in Emaille gearbeitet und mit Juwelen besetzt«, murmelte sie.
»Ganz und gar nicht. Es ist schlichtes getriebenes Silber.« Seine Hand spielte träge mit ihrem Haar.
»Du bist mir ein Rätsel, Sax.«
»Du mir nicht minder. Aber wir haben noch ein Leben lang für uns. Also, wie kamst du dann in die Höhle des Drachen?«
»Des Drachen?« Sie versuchte, sich zu sammeln. »Du meinst die Herzoginwitwe? Ich dachte, sie würde mir helfen, um einen Skandal zu vermeiden. Und anfangs sah es auch danach aus.« Sie wandte den Kopf ihm zu. »Warum auch nicht?«
Er strich ihr kurz über die Haare. »Das bringt uns zu meiner Geschichte. Ich glaube, ich beherzige lieber Owains Rat und erzähle dir alles über die Herzogin. Was hat er dir erzählt?«
Meg hoffte, Mr Chancellor nicht in Schwierigkeiten zu bringen. »Über die Ehe und den Tod deiner Eltern. Aber er sagte, das sei ohnehin allgemein bekannt.«
»Kann man wohl sagen. Ich war damals zehn.« Abrupt rückte er ein Stück von ihr weg.
»Ich war ganz allgemein sehr aus der Fassung. Mein Vater war kurz zuvor Graf geworden, und unser Leben hatte sich verändert. Wir hatten Bankside verlassen müssen, das einzige Zuhause, das ich bis dahin gekannt hatte, und waren nach Haverhall gezogen, ein schönes, aber auch ein riesiges Haus. Als zweiter Sohn hatte mein Vater das nie erwartet oder auch nur gewollt. Er mochte auch meinen Onkel, und deshalb war er über all das unglücklich, auch Monate später noch. Das weiß ich noch gut. Dass es allen schlecht ging. Irgendwie glaube ich sogar, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie mir genommen worden wären, solange noch alles perfekt war. Vielleicht aber auch nicht.«
»Ich glaube nicht, dass das einen Unterschied macht.« Sie hätte Sax gern in die Arme genommen, wollte ihn aber nicht stören.
»Außerdem war ich krank. Nur eine Erkältung, aber meine Eltern bestanden darauf, dass ich zu Hause blieb. Es wäre unser erster Besuch des Londoner Stadthauses gewesen – es sollte mein erstes Mal in London überhaupt sein –, und deshalb war ich beleidigt, weil sie mich nicht mitfahren ließen. Das bleibt mir am allermeisten im Gedächtnis. Dass ich sauer auf sie war, als wir uns verabschiedeten. Und dann kam dieser Fremde an – es war der Bischof von London, den man für diese Aufgabe auserwählt hatte. Und er erzählte mir, dass meine ganze Familie tot sei, und ich sei nun der Graf von Saxonhurst. Und die Familie meiner Mutter sei benachrichtigt worden, weil es auf der Seite der Torrances keine geeignete Person gebe und mein Vater keinen Vormund bestellt habe.«
Meg rollte sich zu ihm; wenigstens so viel Nähe musste sie ihm anbieten. »Wie sind sie gestorben?«
Er rutschte näher an sie. »Sie besuchten eine Tante, Daphnes Mutter, die sich gerade in einem Haus in Kensington aufhielt. Man nimmt an, dass sie von Straßenräubern überfallen wurden.«
»So nahe bei der Stadt?«
»Am entfernten Ende des Hyde Park ist es heute noch ein wenig wild; das Militär sorgt dort für Ordnung. Vor fünfzehn Jahren war es dort wohl noch ziemlich unzivilisiert. Aber es wurde nie ganz aufgeklärt, was eigentlich passierte, ausgenommen, dass mein Vater erschossen wurde. Er fuhr sie in einem leichten
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