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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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Papyrusbögen wirbelten unter seinen nackten Sohlen auf, Tonscherben glitten über den Boden. Er konnte nicht entkommen; er wusste es, noch bevor Schanherib ihn von hinten ansprang und von den Füßen riss. Nefertem zählte zu den kräftigsten jungen Männern des Adels, man bewunderte seine Schützenkunst. Nichts half ihm das, nichts! Bäuchlings lag er auf den Fliesen, der Assyrer hockte auf ihm, schlug auf ihn ein und entwand ihm den Schurz. Nefertem wand und wehrte sich, doch er war zu ermattet. Er konnte nicht verhindern, dass er mit dem in Streifen gerissenen Kleidungsstück erneut die Hände auf den Rücken gefesselt bekam.
    Schanherib drehte ihn herum. Auf seiner Brust prangten schwarze Tintenflecke.
    »Dieser Dolch …« Er wog die verlorene Waffe in der Hand. »Wie bist du daran gekommen?«
    »Er gehört einer Assyrerin. Sie nannte sich eine Palastfrau deines Königs.«
    »Nach der du riechst. War’s schön?« Anzüglich grinste Schanherib. Nefertem hob den Kopf und spuckte ihn an. Fast im gleichen Augenblick schoss ein Lichtblitz durch seinen Kopf – der Assyrer hatte ihm eine Ohrfeige verpasst, an die er wohl noch in zehn Tagen denken würde. Aufstöhnend versuchte er sich den Schmerz aus den Augen zu blinzeln.
    Schanherib wischte sich über den besudelten Bart. »Die Frau – hatte sie einen Zopf zwischen den Beinen?«
    »Ich dachte mir schon … dass sie es sich auch von Palastkriegern besorgen lässt«, presste Nefertem zwischenden Zähnen hervor. »Offensichtlich gehörst du auch dazu.«
    »Du hast wirklich keine Ahnung, wie?«
    »Wovon redest du?«
    Schanherib stemmte sich hoch und zog Nefertem mit sich auf die Füße. Gewaltsam bohrte er ihm die Finger in den Arm, um ihn an den ängstlich gaffenden Schreibern vorbei vor sich herzuschieben. »Palastfrau – so wird sie genannt, ja. Es gibt kein assyrisches Wort für Königin . Du hast mit der Gemahlin Asarhaddons geschlafen.«

4 . K APITEL
    »Was macht ihr da?« Eine Hand schlängelte sich um den hüfthohen Tonkrug herum und fasste Merit ins Haar. Merit schrie auf. Doch es war nur eine alte Frau, die sich zwischen den Krügen hindurchschob, um sie und Tani, die an ihrer Seite kauerte, misstrauisch zu mustern. »Euch verstecken, ja?« Kräftig zog die Alte an der dicken Haarsträhne. »Die Götter haben Ägypten verlassen. Der Apis-Stier liegt in seinem Blut! Und da wollt ihr hier noch Schutz suchen? Geht, dient euch den neuen Herren an, das ist das Beste, was ihr tun könnt!«
    Merit entwand sich ihr, griff nach Tanis Hand und sprang hinter den Vorratskrügen hervor. Den halben Tag hatten sie hier in einem der Lagerräume des Ptah-Tempels ausgeharrt, denn in den Gassen und Straßen herrschte nur Gedränge, Gehetze, Geschrei, und mehr als einmal waren sie und Tani nur im letzten Augenblick den Kriegern entronnen. Sogar hier im Tempel des Stadtgottes waren die Fremden herumgelaufen und hatten das Unterste zuoberst gekehrt. Irgendeinen guten Gott musste es noch geben, da Merit und Tani unentdeckt geblieben waren.
    Metallischer Gestank ließ sie würgen, als sie durch die Halle liefen, welche den heiligen Stier beherbergte. Merit blickte geradeaus, um den Kadaver nicht sehen zu müssen. Draußen war die Sonne im Begriff, vonNut, dem Leib der Welt, verschluckt zu werden; der Himmel war in Rot getaucht.
    Warum blieben die Menschen nicht in den Häusern? Stattdessen hatten sie ihre armselige Habe geschultert und hasteten hin und her, als wüssten sie nicht, wohin mit sich. Immer noch stapften die Feinde durch die Straßen, aber in ihrem Bemühen, die Leute zu drangsalieren, wirkten sie inzwischen erschöpft. Sie grölten nach Huren und Bier, und es gab nicht wenige Frauen, die sich ihnen näherten, um ihre Wünsche zu erfüllen.
    Merit und Tani verbargen sich in einer verlassenen Hütte, bis Dunkelheit sich über die Stadt senkte, und liefen weiter. Jetzt war es leicht, das elterliche Anwesen zu erreichen. Bald schlichen sie unterhalb der Umfassungsmauer dahin. Am Tor standen nicht die ägyptischen Wächter, die Merit kannte. Merit hielt sich zusammen mit Tani tief im Schatten der Mauer.
    »Hör zu«, wisperte sie. »Wir gehen hin und sagen, dass ich die Tochter des Wesirs und Enkelin des Pharao bin.«
    »Ich glaube nicht, dass der Tajti dich nach Süden geschickt hat, damit du das jetzt tust«, murrte Tani.
    Merit nagte an der Unterlippe. Was blieb ihnen sonst übrig? »Vielleicht geht ja alles gut und man bringt uns zu meinem Vater.«
    »Wir wissen

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