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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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wohl mit der neuen Zeit irgendwie zurechtkommen, nicht wahr? Ihr habt euer Zuhause verloren, so ist’s doch, oder?«
    »Ja«, murmelte Merit.
    »Dann bleibt hier und helft mir. Ihr seht ja, es ist so viel Schmutz hier … Drei Schankmädchen hatte ich, die sind aber weggelaufen, als die Eroberer herkamen. Und allein kriege ich das Haus nicht geputzt.«
    Merit und Tani blickten sich an. Hier war es je sauber gewesen? »Sollen wir?«, wisperte Tani.
    »Bezahlen kann ich euch aber nicht«, stellte Nanacht sofort klar. »Ihr könnt hier schlafen und essen, damit muss es gut sein. Was ich an Kupferringen besaß, haben die Assyrer mir fortgenommen.«
    Merit drehte sich auf dem Hocker herum, als könnte der Raum ihr offenbaren, was sie tun sollte. Hier – arbeiten? Sie? Die Tochter des zweithöchsten Mannes ganz Ägyptens, über dem nur der Pharao stand? Aberso schlimm dies war, es enthob sie dem Zwang, sich sofort irgendeine Lösung suchen zu müssen, die es dort draußen in den unruhigen Straßen ohnehin nicht gab. Sie kämpfte die Tränen nieder, wischte sich über die feuchte Nase und nickte.

    Schanherib erhob sich von seiner Bastmatte auf dem Dach. Schlafend lagen ihm die Syrerin und eine weitere Dienerin des ägyptischen Hauses zu Füßen. Seltsam, dass er sofort nach dem Aufwachen an jenes Mädchen denken musste, das in der Nacht hier eingedrungen war, und nicht etwa an das Liebesspiel mit diesen beiden Schönheiten. Ihre schweißfeuchten, sinnlichen Körper lockten, den Tag hinauszuzögern, aber der Sonnengott Schamasch stand bereits in voller Pracht über dem Horizont.
    War das wirklich passiert und nicht nur ein Traum? Er rieb sich den Hinterkopf, wo ihn Pazuzu in Gestalt der alten Dienerin gebissen hatte, und stapfte die Außentreppe hinunter. Hier gab es im Garten ein Badehaus mit einem steinernen Becken, das mit frischem Wasser gefüllt war. Den Sklaven, der ihn waschen wollte, schickte er fort, denn war er jetzt etwa einer dieser faulen Herren, deren Freude allein darin bestand, sich an den Annehmlichkeiten ihres Besitzes zu ergötzen?
    »Mardak«, grüßte er den stämmigen Krieger, der gähnend dabei war, sein Wasser auf dem Rasen abzuschlagen. »Was fange ich mit diesem Haus an?«
    Mardak schüttelte seinen Schwanz aus und schlug den Fransenrock herunter. »Genieße die Frauen und den Braten, solange du hier bist, und wenn unser Herrscher nach Ninive zurückkehrt, mach es zu Gold, gibuns und den Göttern unseren Anteil und nimm den Rest mit nach Hause.«
    Schanherib schlug ihm auf den Nacken. »Aus deinem Munde klingt es so einfach. Dir ist anscheinend nicht klar, dass man sich so ein Anwesen nicht einfach unter die Achsel klemmt und auf den Markt marschiert. Ich habe jetzt schon das Gefühl, unter Bergen von Tontafeln begraben zu werden.«
    »So schlimm wird es nicht werden.« Mardak grinste. »Hier schreibt man auf Papyrus.«
    Ein Diener kam herbeigelaufen, verneigte sich und streckte in zittrigen Händen einen Schurz vor. Schanherib schlang ihn sich um die Hüfte. Das dünne weiße Leinen lag angenehm kühl auf der Haut. Obwohl der assyrische Sommer noch heißer als der hiesige war, pflegten seine Landsleute sich in lange, wollene Gewänder zu kleiden. Die Ägypter jedoch scheuten sich nicht, ihre Körper zu zeigen, gleich ob wohlgeformt oder fett. Woran lag das? Waren sie lebenslustig oder nur verschroben? Er sah sie ja nur ängstlich umherhuschen oder aus sicherer Entfernung schimpfen; wie sollte er das wissen?
    Er ließ sich einen Korbstuhl ins Gras stellen, aß ein wenig Brot und trank dazu Granatapfelwein, der nicht dazu angetan war, einem in den Kopf zu steigen, und bestellte den Hausverwalter zu sich. Der schlaksige Mann verneigte sich, die geflochtenen Strähnen seiner Perücke schaukelten. Er mühte sich sichtlich, seine Furcht zu verbergen, während er das Vermögen des Wesirs aufzählte. Schanherib fuhr sich durch die schweißfeuchten Haare. Weshalb schnitten die Ägypter ihre Haare daumennagelkurz, nur um dann doch unter Perücken und Kopftüchern zu schwitzen?
    »… Weinpflanzungen im Werwer, das ist eine große Oase südwestlich von hier, Rinderherden im Delta; die letzte Zählung ergab dreihundertzwanzig Kühe, acht Zuchtbullen …«
    Das Mädchen, es hatte die Haare nur kinnlang getragen. Nein, noch kürzer. Man schor hier den Kindern die Köpfe kahl, und offenbar ließ man dies sein, sobald sie ins Erwachsenenalter traten. Ein seltsamer Brauch. Aber das ganze Volk war ja

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