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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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umrandeten Lidern musterte die Wirtin ihre unwillkommenen Gäste. Tani zupfte Fleischstücke vom Rest der Gazelle, häufte sie auf den Brotkorb und ließ sich damit neben Merit nieder. Beide begannen hastig zu essen.
    »Diese Tage haben euer Leben anscheinend auch durcheinandergewirbelt«, sagte Nanacht mit rauer Stimme, die sie mit weiterem Bier tränkte. »Wer jeden Tag zu mir kam, ist jetzt weg, und dafür kommen Gestalten, die ich nie sah. Nein, ihr seid keine Huren. Aus welchem hochwohlgeborenen Haus kommt ihr?«
    Merit hörte auf zu kauen. War ihre Kleidung nicht zerschlissen genug, dass man das jetzt noch erkennenkonnte? Nanacht grinste und deutete auf Kawit. »Nur Mädchen, die den ganzen Tag faul im Gras liegen und sich um nichts sorgen müssen, füttern ihre Katzen mit gutem Fleisch.«
    Verblüfft erstarrte Merit, und Kawit schnappte ungeduldig nach dem Bröckchen, das sie ihr hinhielt. Schmerzhaft bohrten sich die Zähne in ihren Finger. Merit lutschte ihn und pflückte weitere Stücke für Kawit ab. Die Wirtin stemmte sich hoch und wankte zu dem gemauerten Podest hinter der Sitzbank. Hier reihten sich Krüge aneinander. Einen trug sie an ihrer breiten, sich wiegenden Hüfte gestützt herbei, dazu zwei Becher. Sie füllte sie mit abgestandenem Wasser. »Was gebt ihr mir für das üppige Mahl?«
    Merit tastete nach der Halskette in ihrem Kleid. »Dürfen wir hier schlafen? Morgen dann, wenn wir wieder gehen, bezahle ich dich.«
    Nanachts Augen wurden schmal. »Meinetwegen.« Ihr gähnender Mund entblößte helle, starke Zähne, von denen einer fehlte. »Nebenan geht’s hoch aufs Dach. Aber wenn ich merke, dass ihr euch fortschleicht, prügele ich euch durch und nehme euch die Umhänge und die Katze weg. Die darf dann abarbeiten, was ihr mir schuldet; hier gibt’s reichlich Mäuse. Und danach brate ich sie.«
    Erschrocken drückte Merit die Katze an sich, Tani noch ein paar Brotfladen, und sie betraten durch einen seitlichen, von einem fadenscheinigen Vorhang verhängten Durchgang einen angrenzenden Raum. Hier herrschte ein Durcheinander, als hätten die Assyrer hier gewütet. Aber all der Staub und Dreck in den Ecken mochte Jahre alt sein; auf hingeworfenen Krügen lag er, auf zerbrochenen Tischchen, löchrigen Hockern ausSchilfrohr und einem halbhohen geziegelten Regal, das sich längs einer Wand erstreckte. Tatsächlich, Mäuse schien es hier reichlich zu geben, überall hatten sie ihre unangenehmen Spuren hinterlassen. Irgendwo in der Nähe raschelte es. Kawit reckte den Kopf und schlug etwas ratlos mit dem Schwanz aus.
    Merit raffte mit einer Hand den Umhang und stieg über eine geziegelte Treppe auf das Dach. Hier sah es nicht viel besser aus, nur dass der Wind all die ausgeblichenen Bastmatten, weitere Vorratskrüge und die Kübel mit knochentrockener Erde, in denen dürre Palmen standen, vom Staub befreit hatte. Tani schichtete einige Matten übereinander, dann legten sie sich nieder. Merit strich über Kawits weiches Fell. Daheim hatte sie in der heißen Jahreszeit oft auf dem Dach geschlafen, und wenn sie nur lange genug den Nachthimmel betrachtete, das Sternbild des Osiris und der Isis über sich, mochte alles wie immer sein. Doch kaum schlossen sich erschöpft ihre Lider, fürchtete sie die Hände des Mannes aus ihrem Traum, der nach ihr griff und sein Ungetier auf sie fallen ließ.
    »Nicht weinen«, hörte sie Tani flüstern. Zittrige Finger strichen unbeholfen durch ihr Haar. »Sobek hilft uns.«
    Sobek und alle Götter sind ganz weit weg, dachte Merit. Sie warf sich auf die Seite und vergrub das Gesicht in Kawits Bauchfell.

5 . K APITEL
    »Wer bist denn du?« Jemand rüttelte an Merits Schulter, so dass sie aus dem Schlaf hochfuhr. Dicht über ihr schwebte das ledrige, gebräunte Gesicht eines alten Mannes. Zwischen all den Falten waren die Züge kaum auszumachen, und zwischen den papierdünnen Lippen zeigten sich nur ein paar Elfenbeinstummel. Er grinste. »Na, versteckst du dich vor den Eroberern? Tust gut daran, wie du ausschaust.«
    Sie schlug den Finger, der sich nach ihrer Wange streckte, beiseite. »Tani? Tani, wo bist du?«
    Tani kam herbeigelaufen. Mit beiden Händen hielt sie einen abgebrochenen Ast, reckte sich über Merit hinweg und stieß das spitze Ende gegen den Alten. »Finger weg von meiner Herrin!«
    Der Mann rieb sich die Schulter. »Dumme Weiber«, brummelte er und verschwand in der Dachluke. Merit rieb sich die verquollenen Augen und blickte sich um. Es war früh am

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