Glut der Gefuehle - Roman
Verwandten von Mr Rutherford, die sich weigerten, seine Fragen zu beantworten. Bisher gab es keinen einzigen Hinweis, der Margrave mit der Ermordung des jungen Mannes in Verbindung brachte.
Schließlich besuchte er Lady Macquey-Howell und zog diskrete Erkundigungen ein. Ihr finanzielles Arrangement mit dem spanischen Konsul erwähnte er nicht, da es ihm widerstrebte, die Dame zu kompromittieren. Aber er erfuhr immerhin, dass sie sich einen neuen Liebhaber zugelegt hatte. Also würde ihr Margraves mörderische Eifersucht vorerst nichts anhaben.
Auch die Landgüter des Earls hatte er besucht, ohne Erfolg. In Merrimont konnte er nur mit der Haushälterin sprechen, die widerstrebend Auskunft über ihre Herrschaften gab. Ja, sie erinnerte sich an Miss Diana Hawthorne, die Lady Margraves Gunst genossen hatte. Dass aus dem kleinen Mädchen eine gefeierte Schauspielerin geworden war, schien sie nicht zu wissen.
Auf Marlhaven wurde er noch viel kühler empfangen. Seine Fragen irritierten die Hausherrin, und er merkte ihr an, wie gern sie ihm die Tür gewiesen hätte. Von India Parr wusste sie nichts Neues, und so reiste er unverrichteter Dinge wieder ab.
Danach hatte er seine letzten Hoffnungen auf Doobin gesetzt. Unglücklicherweise arbeitete der Junge nicht
mehr im Drury Lane. Als sich der Viscount im Theater umhörte, konnte ihm niemand sagen, wo der kleine Bursche steckte. Angeblich hatte Mr Kent ihn wegen eines Diebstahls hinausgeworfen. Aber South vermutete, dass Margrave den Direktor dazu genötigt hatte.
Zwei Tage lang suchte der Viscount alle schmutzigen Gassen von Holborn ab, und dann dauerte es fast eine ganze Stunde, bis er den Jungen dazu überreden konnte, ihn zu begleiten. Offenbar vertraute Doobin ihm nicht mehr so rückhaltlos wie zuvor, denn er gab ihm die Schuld an Miss Parrs Verschwinden. Da dies nicht von der Hand zu weisen war, musste South mit Engelszungen reden. Schließlich erfüllte eine beträchtliche Summe den gewünschten Zweck.
Obwohl Doobin nichts über Miss Parrs Verbleib erfahren hatte, quartierte South ihn in seinem Haus ein. Indem er für ihn sorgte, wie es India getan hatte, beruhigte er wenigstens sein Gewissen. Bisher hatte Margrave das Kind verschont. Aber nur der Himmel mochte wissen, was in diesem kranken Gehirn vorging. Und der Junge verdiente es nicht, für die Loyalität und Freundschaft zu leiden, die er der angebeteten Schauspielerin erwiesen hatte.
Leise und vorsichtig wurde die Tür der Bibliothek geöffnet. South drehte sich nicht um. Außer Doobin würde niemand unaufgefordert eintreten.
»Was gibt’s, mein Junge?«
Dass Seine Lordschaft sofort wusste, wer zu ihm kam, beunruhigte Doobin ein wenig. Sekundenlang klebte seine Zunge am Gaumen, dann erklärte er: »Mylord, ich möchte Ihre Stiefel holen. Mr Darrow hat gesagt, ich soll sie putzen.«
»Das ist sehr nett von dir. Aber ich trage sie noch.«
»Wenn das so ist, soll ich sie Ihnen ausziehen, Mylord, und später zurückbringen.«
Unwillkürlich lächelte South – zum ersten Mal seit vielen Tagen. »Also gut.«
Hastig durchquerte Doobin den Raum, kniete sich vor South nieder und umfasste den Absatz des rechten Stiefels. »Das erledige ich so schnell wie möglich, Mylord. Und Sie werden schon sehen, bald wird sich Mr Darrow freuen, weil ich jetzt in Ihren Diensten stehe.«
Niemals hätte sein Kammerdiener dem Jungen erlaubt, Seine Lordschaft zu stören. Aber das erwähnte South nicht, und bei nächster Gelegenheit wollte er Darrow ermahnen, er dürfe das Kind nicht zu hart anfassen. Immerhin war der Junge Miss Parr ans Herz gewachsen.
Den rechten Stiefel zog Doobin mühelos aus, doch der linke bereitete ihm einige Schwierigkeiten. Schließlich musste South ihm helfen.
»Danke, Mylord.« Doobin hielt beide Stiefel hoch und verneigte sich. »Nur keine Bange, ich werde mich beeilen.«
»Wunderbar!« South lehnte sich in seinem weichen Ledersessel zurück und streckte die Beine aus. Als das Kind zur Tür gehen wollte, rief er ihn zurück: »Warte, Doobin!«
»Ja, Mylord?«
»Hast du Mrs Garrety gesehen, seit du bei mir wohnst?«
»Mrs Garrety?«, wiederholte der Junge sichtlich verblüfft. »Nein. Warum sollte sie hierher kommen?«
»Vielleicht, um Miss Parr zu suchen. Mrs Garrety stand ihr sehr nahe.«
»Oh ja, wie eine Klette hat sie an ihr geklebt.« Doobin schüttelte den Kopf. »Nachdem Miss Parr aus London
abgereist ist, habe ich Mrs Garrety nicht mehr gesehen. Darüber freuen sich meine Ohren, die
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