Glut der Gefuehle - Roman
wortkarger Mensch. Ich gewann den Eindruck, er würde seiner Rückkehr ins Cottage entgegenfiebern. Aber Mrs Simon wollte dem Viscount und seiner Herzallerliebsten die süße Zweisamkeit noch etwas länger gönnen. Nun?« Margrave stieß Indias Knie mit seiner Stiefelspitze an. »Warst du Southertons Herzallerliebste? Oder macht sich die Witwe alberne romantische Illusionen?«
Keine Sekunde lang glaubte India, die Frau hätte sie die ›Herzallerliebste des Viscounts‹ genannt. Mit dieser Hänselei wollte Margrave sie nur aus der Reserve locken. Davon ließ sie sich nicht provozieren. »Ich war gegen meinen Willen bei ihm. Offenbar bildet sich Mrs Simon irgendetwas ein.«
»Gegen deinen Willen?« Margrave schüttelte nachdenklich den Kopf. »Daran zweifle ich, Dini. Wie ich von der Witwe erfuhr, hast du in Southertons Abwesenheit
seinen kranken Kammerdiener gepflegt. Während dieser Zeit hättest du eine Gelegenheit zur Flucht gefunden. Trotzdem bist du im Cottage geblieben.«
India zuckte gleichmütig die Achseln. »Welche Schlüsse du daraus ziehst, bleibt dir überlassen, Margrave. Warum sollte ich dir widersprechen?«
»Bist du seine Geliebte geworden?« Bevor sie etwas sagen konnte, warnte er sie: »Überleg dir deine Antwort ganz genau. Ich finde immer Mittel und Wege, um dir die Wahrheit zu entlocken.«
Dass er sogar ihre Seele erforschen konnte, erschreckte sie zutiefst. »Falls du wissen willst, ob er in mein Bett gekrochen ist... ja.«
»In dein Bett gekrochen? Welch eine sonderbare Redewendung! Habt ihr euch nicht ineinander verliebt? Ist das etwa nicht passiert?«
India schwieg.
»Jetzt enttäuschst du mich«, seufzte Margrave. »Wenn wir in Marlhaven eintreffen, werde ich dich zusammen mit dem Viscount malen. Eine interessante Übung für mich. Noch nie habe ich versucht, in meiner künstlerischen Arbeit zärtliche Gefühle einzufangen. Und vielleicht werden wir deinem schönen Zweig eine Rose hinzufügen. Schon zum vierten Mal wolltest du mich verlassen. Also müssen sich in diesem Bild vier Rosen zeigen. Ebenso wie vier Tränen.«
Gedankenverloren saß South in seiner Bibliothek. Auf dem Beistelltisch stand eine ungeöffnete Flasche Wein, daneben lag ein geschlossenes Buch. Weder das eine noch das andere interessierte ihn. Auch an diesem Tag war die Suche nach India ergebnislos verlaufen. Seine Mutter hatte ihn zu sich bestellt und gefragt, ob es zutreffen würde,
was die liebe Celia Worth Hampton behauptete – nämlich, dass er die Operntänzerin heiraten wolle.
Nur in einem einzigen Punkt hatte South seiner Mutter widersprochen. »India Parr ist keine Operntänzerin.« Damit hatte er sie nicht beruhigt. Mit bebender Hand hatte sie nach ihrem Riechsalz gegriffen. Und dann hatte sie einem Dienstboten geläutet, um sich ein Glas Sherry bringen zu lassen, obwohl es erst elf Uhr vormittags gewesen war.
Am Nachmittag bestritt North, Southertons Mutter von India Parr berichtet zu haben. Allerdings war er von West über die Ereignisse in Ambermede informiert worden, zumindest teilweise. Sichtlich gut gelaunt kam Elizabeth in den Salon, und da verstand South, wie sich die Neuigkeiten herumgesprochen hatten. Erst von einem Freund zum anderen, dann zu dessen Ehefrau und schließlich zur Schwiegermutter. Natürlich hatte die Herzoginwitwe keine Zeit verloren, um Southertons Mutter sofort die ganze Geschichte zu erzählen.
Von Eastlyn durfte er kein Mitgefühl erwarten. Der Marquess schlug sich mit einem Heiratsversprechen herum, das ihm seines Wissens nach niemals über die Lippen gekommen war. Schon längst an das Gerede gewöhnt, das sich um seine Person rankte, fand er es nicht sonderlich bedauernswert, dass South mit ähnlichen Problemen konfrontiert wurde.
Aber India Parrs Verschwinden stand auf einem anderen Blatt. Alle drei Freunde hatten dem Viscount ihre Hilfe angeboten, die er ablehnte, weil er immer noch nicht wusste, wo sie nach der Schauspielerin suchen sollten.
Inzwischen hatte er mehrmals das Theater besucht, Indias Haus, die Londoner Residenz des Entführers. Er war
sogar in der Pension gewesen, in der Margrave ein Zimmer für Mrs Garrety gemietet hatte.
Bei einem Gespräch mit Mr Kendalls Familie hatte South nichts Neues erfahren. Weder seine Schwester noch seine Mutter erinnerten sich an eine Frau, die ihn interessiert haben könnte. Da er die Gefühle der Damen nicht verletzen wollte, hakte er nicht weiter nach.
Ebenso ergebnislos verlief eine Unterredung mit den
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