Glut der Gefuehle - Roman
geben.«
»Aber|...«
»Das meine ich ernst, Diana. Triff deine Vorbereitungen. Darüber hinaus musst du an gar nichts denken. Was glaubst du, wie lange wir in unseren Privatgemächern ausharren können, ohne den Verstand zu verlieren? Wenn uns dieses Schicksal ereilt, würde uns nichts mehr von Allen unterscheiden... Würdest du das ertragen? Möge mir der Allmächtige helfen – ich liebe meinen Sohn immer noch. Doch wenn ich so wäre wie er – das würde ich nicht verkraften.«
Bedrückt schüttelte India den Kopf. »Nein, ich auch nicht.«
Leise raschelte Lady Margraves blaues Bombassinkleid, als sie aufstand und vor den Kamin trat. »Machst du mir Vorwürfe?« Bei dieser Frage konnte sie India nicht anschauen.
»Vorwürfe? Wofür?«
Hilflos hob die Countess die Hände. »Für das, was er ist... wozu er geworden ist.«
»Nein, deshalb nicht.«
»Warum dann?«
»Jetzt ist es nicht mehr wichtig.«
»Wenn ich keine Antwort hören wollte, hätte ich dich nicht gefragt.«
»Nun, ich war Ihr Mündel...«, begann India zögernd. »Und ich dachte, Sie würden mich schützen.«
»Ich habe dich zu den Olmsteads geschickt.«
»Dorthin ist er mir gefolgt.«
»Und in London habe ich deinen Lebensunterhalt finanziert.«
»Sie haben mich bezahlt, damit ich auf ihn aufpasse.«
»Weil ich ihn nicht auf Marlhaven festhalten konnte.«
»Hat er Ihnen seine Bilder gezeigt?«
»Ja...« Zitternd schlang Lady Margrave die Finger ineinander. »Diese Gemälde jagen mir kalte Angst ein.«
»Aber Sie waren nicht persönlich betroffen, Mylady. Ich musste ihm Modell stehen! Begreifen Sie, was das für mich bedeutet hat?«
»Das wollte ich mir nicht vorstellen.«
Dieses Geständnis beschleunigte Indias Puls. »Habe ich Ihnen derart wenig bedeutet? Oder lieben Sie ihn so sehr?«
»Oh Gott, du verstehst nicht...«
»Nein, das habe ich nie verstanden.«
»Und ich kann es dir nicht erklären.«
Unglücklich senkte die Countess den Kopf, und India akzeptierte, dass sie nicht mehr erfahren würde. »Vielleicht sollten wir uns mit unserer Handarbeit befassen«, schlug sie vor. »Margrave will sicher wissen, wie wir die Zeit verbracht haben.«
»Ja...« Ihre Ladyschaft setzte sich wieder, ergriff den Stickrahmen und inspizierte die unregelmäßigen Stiche. Angewidert stöhnte sie, aber dann zog sie die Nadel aus dem Stoff und brachte einen weiteren Stich zustande.
Auch India holte ihre Nähsachen. Einige Minuten lang arbeiteten sie schweigend. Schließlich fragte Lady Margrave: »Wollen wir heute Nacht fliehen?«
»Ich glaube, etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig.«
»Fühlst du dich stark genug? Vorhin hatte ich das Gefühl, du seiest etwas unsicher auf den Beinen.«
»Manchmal schwanke ich ein wenig, um Margrave zu
täuschen. Er soll nicht glauben, ich hätte mich an das Opium gewöhnt und es würde mir nichts mehr ausmachen.«
Die Brauen nachdenklich zusammengezogen, betrachtete die Countess das schmale Gesicht der jüngeren Frau. »Soll ich dir glauben?«
»Oh ja.«
»Kannst du ihn wirklich niederschlagen?«
»Ganz bestimmt.«
»Gut.«
In jeder Hand einen Kohleneimer, stieg South die Dienstbotentreppe des Ostflügels hinauf. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, als würde ihm jeder Schritt schwerfallen. Selbst wenn er sich unbeobachtet glaubte, spielte er die Rolle, die seine Tarnung verlangte. Nachdem er eine Woche auf Marlhaven verbracht hatte, kannte er die beunruhigende Angewohnheit des Earls, plötzlich wie aus dem Nichts aufzutauchen – meistens an Orten, wo man ihn am allerwenigsten vermutete.
Bisher hatte der Viscount Begegnungen mit dem Hausherrn vermieden – nur mit knapper Not. Eines Morgens war Margrave in die Küche gekommen, als South sie gerade verlassen hatte. Hätte Mrs Hoover ihn nicht von ihrem Suppentopf verscheucht, wäre er mit dem Earl zusammengestoßen.
Southertons zynisches Lächeln verwandelte sich in eine Grimasse, als ein Eimer gegen eine Stufe prallte. Ein paar Kohlen fielen heraus und polterten die Treppe hinab. Leise fluchte er, stellte beide Eimer ab und sammelte die Kohlen wieder ein.
Gewissenhaft nahm er einen kleinen Besen und eine Schaufel aus einer Tasche seiner Lederschürze, um den
Kohlenstaub von den Stufen zu fegen. Welchen Anblick würde er jetzt bieten, die hoch gewachsene Gestalt gebückt, mit einer äußerst stumpfsinnigen und entwürdigenden Arbeit beschäftigt... Könnten ihn seine Freunde so sehen, würden sie schallend lachen. Bei diesem
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