Glut der Gefuehle - Roman
nicht«, erwiderte sie, leicht verwirrt, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. »Die Stickerei langweilt mich nur. Und das ist ein großer Unterschied, Allen.«
»Ach, tatsächlich?«, fragte er spöttisch und hielt einen Kohleneimer hoch. »Den anderen habe ich neben den Kamin in deinem Schlafzimmer gestellt, India. Brauchst du hier drinnen ebenfalls neue Kohlen?«
»Ja, bitte.«
Margrave betrat den Salon. Bevor er den Eimer abstellte, warf er ein paar Kohlen in den Kamin. Dann lehnte er sich an das Sims. »Hast du dich gut mit India unterhalten, Mutter?«
»Gewiss, Allen.« Die Countess lächelte sanft. »Sogar sehr gut.«
Ohne von ihrer Handarbeit aufzublicken, erklärte India: »Wir haben über das Theater gesprochen – das heißt, ich habe davon erzählt. Und deine Mutter war so freundlich, mir zuzuhören.«
»Oh?«
»Wie gern würde ich auf die Bühne zurückkehren, Margrave... Wärst du damit einverstanden?«
»Nein«, entgegnete er kurz angebunden.
Nach einer kleinen Pause nickte India. Mit dieser Antwort hatte sie gerechnet.
»Kein Protest?«, fragte er.
»Dazu bin ich heute Abend nicht fähig.«
»Nimm dich in Acht, India. Allmählich ödest du mich an.«
»Wie bedauerlich...«
»Allerdings.«
Nun blickte sie auf und erkannte, dass er es ernst meinte. In seiner Stimme schwang keine Belustigung mit, und seine dunklen Augen wirkten vorwurfsvoll.
Mit einer lässigen Geste zeigte er auf die Staffelei, die vor dem Fenster stand. Ein großes Tuch verhüllte die gerahmte Leinwand. »Hast du meiner Mutter das Resultat unserer neuesten Bemühungen gezeigt, India? Dieses Werk finde ich besonders gelungen.«
India legte ihre Stickerei beiseite. Dann stand sie auf. Als würde sie von einem plötzlichen Schwindelgefühl erfasst, berührte sie ihre Schläfe. »Darf ich mit dir sprechen, Margrave?«
»Das tust du gerade.«
»Allein...« Sie wandte sich zur Countess, die sich über ihre Handarbeit beugte. »Bitte.«
Misstrauisch schaute er von einer Frau zur anderen. »Lieber nicht. Vor meiner Mutter musst du kein Blatt vor den Mund nehmen.«
Ehe India protestieren konnte, stand Lady Margrave auf und lächelte geistesabwesend. »Wenn ihr mich entschuldigen würdet...« Ohne eine Erlaubnis abzuwarten oder auch nur zu bekunden, sie sei darauf angewiesen, ging sie würdevoll in den Nebenraum.
»Allzu lange solltest du sie nicht allein lassen«, mahnte India. »Ich fürchte, sie fühlt sich nicht wohl.«
»Nun sag schon, was du auf dem Herzen hast, und beeil dich!« Den Kopf schief gelegt, lauschte er auf verräterische Geräusche im Schlafzimmer. War seine Mutter bei klarem Verstand? Würde sie versuchen, die Tür zum Flur zu öffnen? Oder streckte sie sich einfach bloß auf Indias Bett aus? »Wenn ihr etwas zustößt, mache ich dich dafür verantwortlich.«
Um sich zu ermutigen, holte India tief Atem. »Dieses Bild darf Lady Margrave nicht sehen. Das hast du nur vorgeschlagen, um mich für irgendetwas zu bestrafen.«
Gleichmütig zuckte er die Achseln. »Ich traue dir nicht, India. Auf mein Wohlwollen darfst du nicht mehr hoffen. Wenn du das Bild vor meiner Mutter verbergen willst, musst du dich viel besser benehmen.«
In ihren Augen brannten Tränen, die India krampfhaft hinunterschluckte.
Margraves Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln, das er mit einem ebenso höhnischen Applaus begleitete. »Sehr gut. Manchmal werden Tränen in übertriebenem Maße eingesetzt. Aber diesen Fehler würdest du niemals begehen. Immer wählst du genau den richtigen Moment.«
Ungeduldig wischte sie sich über die Lider. »Beenden wir unsere Unterhaltung, Margrave.«
Seufzend schlenderte er zur Schlafzimmertür. »Du kannst zurückkommen, Mutter, India und ich sind fertig.«
Keine Antwort. Und auch kein Rascheln von Röcken.
»Mutter?«
Ohne seinen anklagenden Blick zu beachten, wollte India aus dem Salon stürmen. Blitzschnell umklammerten seine Finger ihren Ellbogen. Sie versuchte nicht, seine Hand abzuschütteln. Diesen Kampf würde sie verlieren.
»Bleib hier!«, befahl er. »Ich werde nach ihr schauen.« Nur widerstrebend ließ er India los und betrat das Schlafzimmer. In der nächsten Sekunde sah sie ihn erstarren.
Was immer der Countess geglückt ist, dachte sie, es übertrifft meine kühnsten Träume...
Sechzehntes Kapitel
Dicht hinter Margrave kam India zum Stehen. Um zu verhindern, dass sie an ihm vorbeieilte, streckte er einen Arm aus. Als sie über seine Schulter
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