Glut der Gefuehle - Roman
ihren Körper breitete, flatterten ihre Wimpern nicht einmal.
Unbehaglich wandte sich Darrow von der intimen Szene ab und hängte die Pelisse neben den Mantel seines Herrn.
South ging zum Waschtisch, fand einen Lappen und befeuchtete ihn.
»Ist die Dame krank?«, fragte der Kammerdiener.
»Nein, nur erschöpft.« Ohne es zu merken, wurde India Parr ausgenutzt – von Kent, ihrem Publikum, ihren Verehrern. In Gedanken fügte der Viscount den Namen des Obersts und seinen eigenen hinzu.
»Möglicherweise haben Sie Miss Parr gar nicht entführt, Mylord.«
»Was meinen Sie?« Southerton setzte sich auf die Bettkante. Vorsichtig betupfte er Indias Stirn mit dem feuchten Lappen und entfernte einen winzigen Fleck Bühnenschminke unterhalb des rechten Ohrs. »Glauben Sie etwa, dafür wird sie mir danken?«
»Wer weiß schon, was im Kopf einer Frau vorgeht? Jedenfalls nehme ich an, Sie haben die Dame eher gerettet als entführt.«
»Danke«, entgegnete South belustigt. »Daran werde ich denken, falls Miss Parr einen anderen Standpunkt vertritt.« Er schaute über seine Schulter und stellte fest, dass der Kammerdiener seine Pflichten erledigt hatte. »Gehen Sie jetzt nach unten und essen Sie. Wenn Sie wollen, amüsieren Sie sich mit der Tochter des Wirts. Hier brauche ich Sie nicht mehr. Gute Nacht, Darrow.«
»Gute Nacht, Mylord.« Der Kammerdiener verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Nun neigte sich South wieder über India, öffnete ihren Rüschenkragen und strich mit dem feuchten Lappen über ihren schlanken Hals. »Wann haben Sie zuletzt geschlafen?«, flüsterte er. » Richtig geschlafen?«
Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild der Schauspielerin – in rastlosem Schlummer, ein Skript im Schoß, während die Garderobiere ihr die Nase mit Reispuder bestäubte und die Wangen schminkte. Stets war Miss Parr verfügbar – für Kostüm- und Bühnenproben, Verehrer und Förderer, Vorstellungen und schließlich für ihren geheimnisvollen Beschützer.
Gab es tatsächlich einen solchen Mann in Indias Leben? Oder hatte sie ihn nur erfunden, um ein paar kostbare Stunden für sich selbst zu gewinnen? Seit dem Artikel in der Times war genug Zeit verstrichen, und ihr Gönner hätte sich mittlerweile in der Öffentlichkeit zeigen müssen.
Woher die Redaktion der Times ihre Informationen bezogen hatte, wusste South noch immer nicht. Stammte der Hinweis etwa von India?
An ihren Schläfen, die er mit dem Lappen befeuchtet
hatte, schimmerte ihr seidenes weizenblondes Haar etwas dunkler, und er strich es mit seinen Fingerspitzen aus der Stirn. Dabei stieg ihm schwacher Fliederduft in die Nase. Abrupt stand er auf und warf den Lappen in die Waschschüssel. Ein paar Tropfen spritzten empor.
Nachdem er die Lampe auf dem kleinen Nachttisch heruntergedreht hatte, schlüpfte er aus seinem Jackett und der Weste, dann lockerte er die Krawatte. Niemals hätte er zugegeben, dass ihm Darrows Hilfe willkommen gewesen wäre, während er seine Reitstiefel auszog. Mit einem dumpfen Geräusch landeten sie am Boden. Danach entledigte er sich auch seiner Strümpfe, der Breeches, des Hemdes, der Krawatte und der Unterwäsche und streifte sich ein wadenlanges Nachthemd über.
Als er überlegte, ob er India entkleiden sollte, kündigte ein leises Klopfen Miss Annie Brinkers Rückkehr an. Hastig schlüpfte er in einen Morgenmantel und öffnete die Tür weit genug, um ihr ein hölzernes Tablett aus den Händen zu nehmen. Dabei versperrte er ihr die Sicht auf India. Nachdem er sich brüsk bedankt hatte, schloss er die Tür mit nackten Zehenspitzen.
Er stellte das Tablett auf einen Stuhl, den er zum Kaminfeuer rückte, damit der Inhalt der Teekanne nicht erkaltete. Dann setzte er sich wieder auf die Bettkante. Behutsam tätschelte er Indias Wange. »Miss Parr?« Sie rührte sich nicht. »India?« Nun versuchte sie, seiner Hand auszuweichen. Zwischen ihren Brauen erschien eine winzige Falte, die trockenen Lippen öffneten sich. Hinter den geschlossenen Lidern bewegten sich die Pupillen. Ansonsten zeigte sie keine Reaktion, und er gab seine Bemühungen auf.
Vorsichtig drehte er sie auf die Seite, um an ihrem Rücken den Verschluss ihres Kleides zu öffnen. Die komplizierte
Verschnürung bereitete ihm keine Schwierigkeiten. In der Royal Navy hatte er gelernt, wie man Knoten löste. Jetzt kam ihm diese Fähigkeit zugute. Nachdem er ihr das Kleid ausgezogen hatte, befreite er sie von den Schuhen, den Strümpfen und dem Unterrock.
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