Glut der Gefuehle - Roman
zählte nur, dass ihr Mund geschlossen blieb. »Ja, ich habe dich verstanden. Und da du derart laut sprichst, werden dich auch die Dienstboten gehört haben. Nimm dich in Acht, India. Ich lasse mich nicht von dir herumkommandieren.«
Selbst wenn es sein harter Griff erlaubt hätte, wäre sie unfähig gewesen, über diese absurde Äußerung zu lachen. Reglos wartete sie, bis er ihr Kinn losließ. Trotz der beruhigenden Nachricht, dem Viscount sei nichts zugestoßen, wurde ihr heiß und kalt. Wie immer, wenn Margrave sie berührte.
Bevor er die Hand senkte, glitten seine Fingerspitzen langsam über ihr Gesicht. Vor dieser Liebkosung schreckte sie nicht zurück. Das hatte er ihr beigebracht und betont, es würde ihm gründlich missfallen, sollte sie ihre Abneigung gegen solche körperlichen Kontakte allzu deutlich zeigen. Er entfernte sich ein wenig und betrachtete das helle Haar, das sich über einer ihrer Schultern ergoss. Im Laufe des Abends musste sie es geflochten und dann wieder entwirrt haben, denn die goldenen Strähnen hingen ihr in sinnlichen Wellen bis zum Rücken hinab.
»Wie schade, dass derzeit diese Hochsteckfrisuren in Mode sind«, bemerkte er. »Welchen Mann würde es nicht entzücken, das Haar einer Frau offen zu sehen, so wie du es jetzt trägst? Wallend, fließend. Wie eine verlockende Verheißung. Damit müsstest du alle deine Bewunderer in Versuchung führen.«
»Du irrst dich.«
»Warum sagst du das?«
»Weil ich nur von harmlosen Schmeichlern umgeben bin. Noch nie hat ein Mann kühne Avance gewagt.«
Margrave lachte leise, setzte sich auf die breite Armstütze des Sofas, das ihrem Sessel gegenüberstand, und verschränkte die Arme. »Glaubst du, deine Worte würden mich nicht beleidigen?«
»Fühlst du dich etwa gekränkt? Das wollte ich nicht.«
»Nun, ich bin ein Mann...« Er wartete ab, ob sie widersprechen würde. Das tat sie nicht. »Und kein harmloser Schmeichler. Erscheint es dir belanglos, was ich über dein Haar gesagt habe?«
»Verzeih mir... ich wollte dich nicht ärgern.«
»Mir zuliebe solltest du dein Haar immer offen tragen.«
»Ja. Natürlich.«
»Plötzlich so fügsam?« Ausdrucksvoll hob er die Brauen. »Offenbar empfindest du mehr für Southerton, als ich zunächst dachte. Bist du erleichtert, weil ihm nichts passiert ist?« Ehe sie antworten konnte, fuhr er fort: »Sehr gut, India. Wenn diese kleine Ratte Doobin oder der unerträglich arrogante Viscount Southerton verschwinden müssten – für wen würdest du dich entscheiden?«
Sie schwieg und spürte, wie ihre Handflächen zu schwitzen begannen. Manchmal wurde sie auf der Bühne von einer ähnlichen Übelkeit erfasst, aber dort konnte sie in ihre Rolle flüchten – dies hier war allerdings ihr wirkliches Leben.
»Wie niederträchtig von mir, dich vor eine solche Wahl zu stellen, nicht wahr?«, spottete Margrave. »Hoffentlich wird es nicht dazu kommen.«
Mit zitternden Fingern zog sie einen Schal von der Rückenlehne ihres Sessels und breitete ihn über ihren Schoß. Während sie ihn zurechtlegte, glitt versehentlich der Saum ihres Nachthemds ein wenig nach oben und
entblößte ein nacktes Schienbein. Hastig streifte sie das Gewand wieder hinab.
Als sie aufsah, begegnete sie Margraves Blick. Offenbar hatte er ihr Bein betrachtet. Was sie in seinen Augen las, vermochte sie nicht zu deuten. Verlangen? Bedauern? Enttäuschung? Vielleicht alles zugleich.
»Übrigens habe ich beschlossen, den Spekulationen ein Ende zu bereiten«, erklärte er. »Dass Macquey-Howell und Mapple und ihresgleichen auf meiner Erfolgswelle mitschwimmen, will ich nicht länger dulden.«
»Lord Macquey-Howell kann seine eigene Erfolgswelle nutzen.«
»Ach ja, seine Gemahlin erfreut sich bedeutsamer Kontakte. Unglücklicherweise ist er ihrer Raffinesse nicht gewachsen. Aber die Countess überschätzt sich. Was Lord Mapple betrifft, Dini... Eigentlich müsste es dir peinlich sein, das sein Name zusammen mit deinem in den Wettbüchern steht.«
»Das alles ist mir unangenehm«, seufzte sie. »Und wieso ist dein Name der öffentlichen Aufmerksamkeit entgangen?«
»Vermutlich, weil ich Lady Calumet mitgeteilt habe, ich würde schon bald aufs Land reisen und meine Mutter besuchen. Und da ich meine Mutter einer Geliebten vorziehe, scheide ich aus dem Kreis der Kandidaten aus...« Nachdem er Indias bebende Lippen bemerkt hatte, unterbrach er sich. »Nun sollten wir dieses Thema, das dich anscheinend bekümmert, nicht weiter
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