Glut der Gefuehle - Roman
Simon ihr Umschläge und Kräutertränke, die den Diener kurieren würden.
Zum Glück kannte er sich mit solchen Dingen sehr gut aus, und so musste er nicht befürchten, sie würden ihn mit ihrem Gebräu vergiften.
Mit sanften Fingern berührte India seine gefurchte Stirn. »Sie sind ja ganz heiß, Mr Darrow! Soll ich einen kalten Umschlag vorbereiten?«
Darin lag das Problem. Wenn man von India Parrs diabolischem Wesen absah, war sie feinfühlig und freundlich. Sie beschwerte sich nicht über seine schlechte Laune, und es machte ihr nichts aus, ihn zu pflegen.
»Ja«, murmelte er, »ein Umschlag wäre genau das Richtige.«
»Und die Hühnerkeule?«
»Vielleicht später.« Tapfer ignorierte er seinen knurrenden Magen. Er würde seinen Hunger vorerst mit der Brühe und einem Stück Brot stillen – und diese Augenblicke genießen, wenn Miss Parr neben ihm auf der Bettkante saß und sich so warmherzig – und lediglich ein kleines bisschen tückisch – um ihn kümmerte.
India legte einen Lappen in eine Schüssel, die mit kaltem Wasser gefüllt war. Kurz danach hörten sie, wie die Haustür geöffnet wurde. Seufzend presste Darrow die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Gleich würde der schrille Ruf der Witwe erklingen, die ihnen mitteilte, sie sei aus dem Dorf zurückgekehrt.
»Bloß keine Bange«, versuchte India ihn zu beruhigen. »Heute Nachmittag werde ich ihr nicht erlauben, auch nur einen einzigen Unschlag für Sie vorzubereiten, Mr Darrow.« Als sie ihn aufatmen sah, fügte sie hinzu: »Darum kümmere ich mich selbst.«
Diabolisch.
Er richtete sich auf, und das Tablett auf seinen Knien wackelte. Beinahe hätte er die Brühe verschüttet.
India wrang den Lappen aus, faltete ihn zusammen und drückte ihn behutsam auf die Stirn des Kammerdieners. »Legen Sie den Kopf zurück. Und sorgen Sie sich nicht um die Brühe, ich werde Sie füttern.« Ganz vorsichtig, um das Tablett nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, setzte sie sich auf den Bettrand. »Sehr gut, die Suppe ist immer noch heiß. Ich hatte schon Angst, nach unserer langen Diskussion wäre sie erkaltet und...«
Abrupt verstummte sie, denn Darrow hörte ihr überhaupt nicht mehr zu. Stattdessen starrte er über ihre Schulter, und nach der dunklen Röte zu schließen, die an seinem Hals emporkroch, stand nicht Mrs Simon auf der Schwelle.
India umfasste den Löffel etwas fester und hielt ihn an Darrows Lippen. »Da, Sie müssen essen und sich stärken. Wäre es nicht wundervoll, wenn...?«
»Welch eine rührende Szene!« Southerton hatte genug gehört und gesehen. Er kam ins Zimmer, zog seinen Mantel aus und warf ihn ungeduldig auf die Truhe am Fußende des Bettes.
Reglos hielt India den Suppenlöffel in der Luft. Bisher war Darrow nicht geistesgegenwärtig genug gewesen, um die Brühe hinunterzuschlucken. South nahm an, dass ihn an der Stelle dieser beiden sein plötzliches Erscheinen genauso verblüfft hätte. Immerhin hatte er sich vor neun Tagen von ihnen verabschiedet. India musste vermutet haben, er habe sie vergessen. Und Darrow, der es besser wissen müsste, hatte sich irgendeinen Unsinn ausgedacht, um die Anweisungen seines Herrn zu befolgen, und war unter Miss Parrs Pantoffel gelandet.
»Um Himmels willen!« Stöhnend nahm South seinen Hut ab. »Schlucken Sie das runter, was immer es ist, Darrow, oder spucken Sie’s aus! Und Sie legen Sie den Löffel
weg, India. Mein Diener ist sicher imstande, aus eigener Kraft zu essen. Es geht Ihnen doch gut, Darrow?«
Als der Diener sich aufrichtete, fiel der Lappen von seiner Stirn und landete beinahe in der Suppenschüssel. Mühsam schluckte Darrow. Gleichzeitig nickte er.
»Großartig.« South starrte Indias Rücken an. Bisher hatte sie sich nicht von ihrem Patienten abgewandt. Wahrscheinlich wollte sie erst einmal ihre Miene unter Kontrolle bringen, und er hatte die Gelegenheit verpasst, unverhohlene Gefühle in ihren dunklen Augen zu lesen. »Kommen Sie mit mir, India!«
Unter Darrows schuldbewusstem, aber wachsamem Blick legte sie den Löffel beiseite. Dann stand sie auf, glättete ihre Schürze und drehte sich um, das Gesicht eine undurchdringliche Maske. »Wie Sie wünschen, Mylord.«
Sobald sie das Zimmer verlassen hatten, stellte Darrow das Tablett auf den Nachttisch, schlug die Decke zurück und zog sich an. Auf Zehenspitzen schlich er die Treppe hinab und verließ das Cottage.
Als er Mrs Simon auf dem Gartenweg traf, wies er sie an, die Einkäufe vor die Tür zu legen, und
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