Glut der Gefuehle - Roman
feuchten Hände an ihrer Schürze ab. »Offenbar geht’s Ihnen besser.«
»Ja, viel besser«, bestätigte India mit schwacher Stimme.
Als die Witwe näher trat und die Schauspielerin etwas
genauer betrachtete, erstarb ihr fröhliches Lächeln. Die Augen zusammengekniffen, musterte sie die Schweißperlen auf Indias Stirn und der Oberlippe, die zerzauste Frisur, das zerknitterte Kleid, das die junge Dame erst an diesem Morgen aus dem Schrank genommen haben musste. »Vielleicht fühlen Sie sich doch nicht so gut, wie Sie uns einreden wollen, Miss Parr. Verzeihen Sie, wenn ich das sage|... aber Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Ich glaube, Sie haben sich bei Ihrer Wanderung verirrt und waren zu lange unterwegs.«
Bereitwillig stimmte India der Erklärung zu, die Mrs Simon gefunden hatte. »Ja... ich dachte, die frische Luft würde mir gut tun.«
»Nun sollten Sie sich ausruhen und etwas essen. Nur keine Angst, ich mute Ihnen nicht das Zeug zu, mit dem wir Mr Darrow aufgepäppelt haben – weder Haferbrei noch diese dünne Brühe. Wahrscheinlich kommt Ihnen die Mahlzeit sogar etwas zu üppig vor«, fügte die Haushälterin hinzu und zeigte auf das Tablett in den Händen des Dieners. »Doch ich wollte nicht knausern.«
»Was sie mir mehrmals unter die Nase gerieben hat«, ergänzte Darrow.
Mrs Simon verdrehte die Augen. »Möchten Sie im Salon frühstücken oder in Ihrem Zimmer, Miss?«
»In meinem Zimmer, wenn es Ihnen recht ist.«
»Natürlich ist mir das recht. Ich muss das schwere Tablett ja nicht nach oben tragen. Das wird Mr Darrow erledigen.« Kichernd verschwand die Witwe in der Küche.
India wich Darrows leidvollem Blick aus und stieg vor ihm die Treppe hinauf. Vor ihrem Zimmer wartete sie, während er das Tablett in der einen Hand balancierte und mit der anderen den Schlüssel vom Türrahmen nahm. Dann schloss er auf.
»Übrigens, Sie werden mich nicht mehr einsperren«, informierte sie den Diener in sanftem Ton, nachdem sie den Raum betreten hatten. »Das habe ich soeben mit Seiner Lordschaft besprochen.«
Statt zu antworten, starrte Darrow den Stuhl am offenen Fensters sowie das daran festgebundene Laken an, das nach draußen hing. Mit einem bewundernden Grinsen wandte er sich zu India und schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich noch nie gesehen...« Hastig stellte er das Tablett ab, als fürchtete er, zu viel gesagt zu haben, und eilte aus dem Schlafzimmer.
Lächelnd drehte sie sich zur Tür um, die der Kammerdiener hinter sich schloss, aber nicht versperrte. So etwas hatte er noch nie gesehen – zweifellos ein hohes Lob aus Darrows Mund. Immerhin diente er einem Herrn, der mit allen Wassern gewaschen war!
Während sie zum Fenster ging und das verknotete Laken von der Stuhllehne löste, gestand sie sich ein, dass es viel erfreulicher gewesen wäre, hätte South sich so anerkennend geäußert. Wie beglückend hätten solche Worte ihr Herz erwärmt...
Neuntes Kapitel
Southerton klopfte zweimal an Indias Tür und wartete vergeblich auf eine Antwort. Nach einer Weile trat er unaufgefordert in ihr Zimmer. Als er sie in ihrem Bett entdeckte, seufzte er erleichtert. Trotz ihres Versprechens hatte er befürchtet, sie habe Mittel und Wege gefunden, um Ambermede heimlich zu verlassen.
Lautlos schlich er zum Bett und stellte fest, dass India tief schlief. Den Rücken zu ihm gewandt, lag sie auf der Seite, einen Arm ausgestreckt, den anderen unter dem Kissen vergraben. Aufmerksam lauschte er und hörte gleichmäßige Atemzüge. Ihr Kleid hatte sie ausgezogen. Nur in ein Batisthemd gehüllt, hatte sie sich auf der Tagesdecke ausgestreckt. Den hellblauen Schal, mit dem sie am Morgen ihren Rock hochgerafft hatte, hatte sie sich nun über die Schulter geworfen. Vorsichtig zog South ihn nach unten, so dass er auch Indias Hüfte bedeckte.
Er hatte gehofft, an diesem Nachmittag einige Zeit allein mit der Schauspielerin zu verbringen – fern von den neugierigen Ohren der Witwe und Darrows missbilligender Miene. Schließlich hatte er sich mehrere Aufträge ausgedacht, die alle beide für ein paar Stunden im Dorf beschäftigen würden.
Nur zu gern war Mrs Simon davongeeilt. South nahm an, sie glaubte, er wolle aus romantischen Gründen die schmerzlich vermisste Zweisamkeit mit seiner Liebsten
auskosten, nachdem er so lange von ihr getrennt gewesen war. Diese Vermutung bestätigten die wissenden Blicke, die sie bei ihrem Aufbruch mit Darrow wechselte.
Wenn sich die Witwe auch irrte – ihre Gedankengänge
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