Glut der Gefuehle - Roman
einmal der Oberst wusste. »Der Prinzregent hat dich zu einem privaten Dinner eingeladen.«
»Ja...« Mit blutleeren Fingern spielte sie mit den gefransten Enden ihres Schals. »Doch erst viel später. Eine sehr diskrete Einladung...«
»... die du angenommen hast.«
»Wie hätte ich sie ablehnen sollen?«
»Danach lud er dich noch öfter ein.«
»Ich habe viermal mit ihm diniert.«
»Wie merkwürdig, dass dies nicht ans Licht der Öffentlichkeit drang... So heimlich, still und leise wickelt Prinny seine Affären nur selten ab. Ich glaube, er genießt die Klatschgeschichten. Für ihn wäre es ein Vergnügen gewesen,
vor den Augen eines neugierigen Publikums mit dir zu poussieren. Und es hätte deinen Ruhm gefördert. Damals warst du noch nicht so bekannt wie heute.«
»Nun|... ich hatte ihn um Diskretion gebeten«, stammelte sie tonlos.
Erstaunt beugte sich South vor. »Wie bitte?«
»Ich flehte ihn an...«
Angesichts ihres Kummers spürte er die Demütigung, die ihr widerfahren war, so schmerzlich, als hätte ihn dies alles selbst betroffen. Aber er verzog keine Miene, denn er wusste, sein Trost würde ihr missfallen. Immerhin hatte er ihr dieses peinliche Geständnis entlockt, was er mittlerweile bitter bereute.
India stand auf und ging zum Kamin. Erfolglos versuchte sie, ihre Hände zu wärmen – doch das Eis um ihre Seele ließ sich nicht schmelzen. Nach einer langen Pause begann sie zu sprechen. »Auf keinen Fall wollte ich die Kurtisane des Prinzregenten werden. Auch nicht die Geliebte irgendeines anderen Mannes. Einen solchen Preis für meine schauspielerische Karriere zu bezahlen – das widerstrebte mir. Dass Mr Kent mich benutzt und gewissen Gentlemen meine Gunst verspricht, ohne Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen, kann ich kaum ertragen. Niemals fragt er, wie ich meine Verehrer abweise. Dafür interessiert er sich gar nicht. Sobald er ihnen genug Geld aus der Tasche gezogen hat, erkundigt er sich nicht mehr nach ihnen. Wenn einer dieser Männer mich zu sehr bedrängt, bleibt es mir überlassen, seinen Stolz zu schonen, so dass er seine Investitionen nicht zurückverlangt.« Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Der Prinzregent zählte zu meinen beharrlichsten Verehrern. Was er für charmant hielt, erschien mir plump und widerwärtig. Also musste ich mein ganzes diplomatisches Geschick
aufbieten, um ihm zu entrinnen, ohne ihn zu beleidigen. Natürlich fürchtete ich, er würde sich an mir rächen. Inständig bat ich ihn um Diskretion. Letzten Endes erklärte er sich dazu bereit. Mit dieser großzügigen Geste schmeichelte er seinem Ego.«
Als sie schwieg, musste sie sehr lange auf Southertons Reaktion warten. Mit schmalen Augen schaute er sie an. »Offensichtlich gab er dir Grund genug, ihn zu verabscheuen.«
»Er ist immer noch der Prinzregent. Eines Tages wird er die Königskrone tragen. Ob ich ihn mag oder nicht, spielt keine Rolle. Wir alle stehen in seinen Diensten. Und er ist Englands bedeutendster Diener.«
»Trotzdem wäre es verständlich, wenn du uns Informationen über jenen Anschlag auf sein Leben verheimlicht hättest.«
India starrte ihn ungläubig an. »So etwas hätte ich niemals getan!«, beteuerte sie und ballte die Hände zu Fäusten. »Traust du mir das zu?«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
Seine Zweifel trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht, und ihre Knie wurden weich. Nur mühsam hielt sie sich auf den Beinen. »Was ich wusste, teilte ich Mr Kendall mit.«
»Aber nicht, woher du es wusstest«, warf South mit scharfer Stimme ein.
»Danach hat er nicht gefragt.«
»Wirklich nicht?« Die Stirn gerunzelt, beobachtete er, wie sich ihre Finger in die Seide ihres Morgenmantels krallten.
»Mit keinem Wort.«
Obwohl er vom Gegenteil überzeugt war, wechselte er das Thema. »Erzähl mir von dem spanischen Konsul, Se ñor Cruz.« Als er wieder in Indias Gesicht schaute, registrierte
er nicht bloß ihre Blässe, sondern eine völlig ausdruckslose Miene. »Du hast Kendall von der Liaison mit Lady Macquey-Howell berichtet.«
Sie kehrte zur Fensterbank zurück und setzte sich. »Wie konntest du mit mir schlafen?«, fragte sie leise. »Trotz all dieser Verdächtigungen?«
»Vielleicht hast du mich einfach betört.«
Sie holte tief Atem. »Geh zum Teufel!« Würdevoll erhob sie sich und wandte sich zur Treppe. »Gute Nacht.«
»Noch sind wir nicht fertig, India.«
Ohne einen Blick über die Schulter zu werfen, stieg sie die Stufen hinauf. Der Viscount
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