Glut der Gefuehle - Roman
ins Dorf vorbereiteten, entspann sich ein lebhaftes Wortgefecht. Diese Diskussion ertrug South nur, weil er wusste, es würde
nicht lange dauern. Bevor sie das Cottage verließen, drückte der Viscount seinem Diener ein paar Münzen in die behandschuhte Hand. »Falls Sie von einem heftigen Schneetreiben im Dorf festgehalten werden – und Mrs Simon Ihnen keine Unterkunft anbieten kann.«
»Wie lange werden Sie mich nicht brauchen, Mylord?«
»Ein paar Tage. Was übrigens auch für Mrs Simon gilt.«
Darrow nickte. »Seien Sie bloß vorsichtig, Mylord«, mahnte er leise. »Miss Parr ist sehr zartfühlend.«
South blinzelte verblüfft. »Allmählich glaube ich, das könnte man auch von Ihnen behaupten.«
»Hm«, schnaubte Darrow und trat vors Haus, wo die Witwe ihn bereits erwartete. Er bot ihr den Arm an, dann schloss er die Tür hinter sich.
»Kopf hoch, Mr Darrow!« Aufmunternd tätschelte sie seinen Ärmel. »Habe ich’s nicht gesagt? Natürlich schaffen wir es, dass Seine Lordschaft uns wegschickt. Wozu braucht er uns schon? So was habe ich ohnehin noch nie erlebt – ich meine, wie oft ich hier sein muss. Wenn das Cottage früher bewohnt war, wurden meine Dienste nur stundenweise benötigt. Meistens wollte Mr Marchman – ach ja, jetzt muss man ihn Seine Gnaden nennen – mit den Damen allein sein. Aber diesmal trug er mir auf, ich solle mich auch dann nützlich machen, sobald alles im Haus in Ordnung gebracht sei.«
»Das hat er gesagt?« Darrow musterte sie aus den Augenwinkeln.
»Oh ja.«
»Sicher wollte er sich bloß einen Spaß mit Seiner Lordschaft machen.«
»So was Ähnliches habe ich mir ebenfalls gedacht. Eine Schande ist das! Lord Southerton und Miss Parr
würden es verdienen, dass man sie in Ruhe lässt. Wahrscheinlich dürfte ich mir solche Bemerkungen nicht gestatten – aber Seine Gnaden waren schon immer ein frecher Bengel.«
Um sich vor der Kälte zu schützen, zog Mr Darrow den Kopf zwischen die Schultern und legte einen Arm um die Witwe. »Genau wie der Viscount. Aber wie langweilig wäre es, den beiden zu dienen, wenn sie keine so amüsanten Ideen hätten!«
Lachend stimmte sie zu. »Oh, da haben Sie zweifellos Recht, Mr Darrow.«
India hörte, wie South die Treppe heraufstieg. Statt sein Zimmer zu betreten, blieb er vor ihrem stehen. Atemlos fragte sie sich, was er plante – und was sie sich wünschte.
Ganz leise klopfte er an die Tür. Hätte sie dieses Geräusch nicht erwartet, wäre es ihrer Aufmerksamkeit vielleicht entgangen. Trotzdem zögerte sie. Ein zweites Mal klopfte er nicht, und auch die Klinke wurde nicht hinabgedrückt. Kurz danach entfernten sich seine Schritte.
India stieß das Skizzenbuch von ihrem Schoß und sprang auf. Gerade als South die Schwelle seines Zimmers überqueren wollte, riss sie ihre Tür auf. Bevor sie zu sprechen begann, tauschten die beiden fragende Blicke aus. »Ich|... nun, ich dachte|...«, stotterte sie und verstummte.
»Verzeih mir, wenn ich dich geweckt habe. Unter deiner Tür sah ich Kerzenlicht. Ich wollte dich nicht stören.« Lächelnd nickte er ihr zu und wandte sich ab.
»Nein, warte|... du hast mich nicht gestört. Vor dem Schlafengehen wollte ich noch ein wenig zeichnen.«
»Dann sollte ich dich nicht an deiner Arbeit hindern.
Ich fand nur... ich müsste mich vergewissern, ob du dich wohl fühlst.«
»Oh ja, danke.« Wofür dankte sie ihm eigentlich? »Ist Mrs Simon gegangen?«
»Schon vor ein paar Stunden.«
»Stunden?« In ihre Skizzen vertieft, hatte sie nicht auf die Zeit geachtet. »Das wusste ich nicht.«
»Darrow hat sie ins Dorf begleitet.«
»Wie nett von ihm...«
»Heute Abend begann es zu schneien.«
India spähte über die Schulter in ihr Schlafzimmer. Aber die Fensterscheiben spiegelten bloß das Kerzenlicht wider, und sie sah keine Flocken. »Wird sehr viel Schnee fallen?«
»Nach Mrs Simons Ansicht werden wir morgen knietief darin stecken.«
»Oh.« Mehr gab es offensichtlich nicht zu besprechen. India versuchte, Southertons Gedanken zu lesen. Plötzlich wirkte sein Lächeln eher ungeduldig als belustigt. »Also, dann gute Nacht.«
»Gute Nacht, India.«
Sie floh in ihr Zimmer zurück, schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Erst jetzt merkte sie, wie heftig ihr Herz schlug, wie mühsam sie nach Atem rang. Ihre Nerven flatterten – ein Gefühl, das ihr vertraut war, denn es glich dem Lampenfieber, das sie vor einer Theateraufführung empfand. Im Drury Lane war es nicht unwillkommen, weil es
Weitere Kostenlose Bücher