Glut der Gefuehle - Roman
allerdings derart lange her, dass es scheinbar zur Vergangenheit eines anderen Menschen gehört... Das Glas in ihrer Hand fühlte sich kühl an. Für einige Sekunden presste sie es an die Schläfe und linderte einen pochenden Schmerz.
»Leidest du wieder an einer Migräne?«, fragte South.
»So schlimm ist es nicht«, erwiderte sie und ließ das Glas sinken. Dann fragte sie ohne Umschweife: »Warum willst du mir helfen? Wenn du ehrlich bist, musst du es eingestehen – du hältst mich für schuldig, genauso wie der Oberst. Trotzdem möchtest du dich für mich einsetzen?«
South zögerte. Was wollte sie hören? Einige Dinge würde er nicht verraten. Schließlich entgegnete er: »Nennen wir es eine Art Gegenleistung.«
»Was meinst du?«
»In einer gewissen Situation hast du mir vertraut. Und jetzt vertraue ich dir.«
»Wovon redest du?«
»Vor einiger Zeit hast du Doobin mit der Nachricht zu mir geschickt, wir sollten uns im Park treffen. Aber damals hatten wir bereits vereinbart, wir würden uns nur über Zeitungsannoncen verständigen.«
»Daran hielt ich mich nicht, was wohl kaum zu meinen Gunsten spricht.«
»Zunächst dachte ich das auch«, gab er zu. »Doch dann
überlegte ich mir, du könntest dazu gedrängt worden sein.« South nahm wieder im Ohrensessel Platz. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, beugte er sich vor. »Was ist passiert? Wurdest du gezwungen, mir eine Falle zu stellen?«
Schweigend senkte sie den Kopf.
»Ich fragte Doobin, wer bei dir war, als er diesen Auftrag bekam. Da erklärte er, außer ihm sei nur Mrs Garrety zugegen gewesen. Stimmt das?«
Die Lippen zusammengepresst, nickte sie.
»Offenbar musst du diese Anweisung schon früher von jemandem erhalten haben.« Diese Worte formulierte er nicht wie eine Frage, denn er glaubte, eine Tatsache festzustellen. »Ich möchte wissen, wann dies geschah. Immerhin wurdest du ständig bewacht.«
»Du|... du hast mich beobachtet?«, stammelte sie erschrocken.
»Ja.« Dass er ihr nicht allein nachspioniert hatte, offenbarte er ihr nicht. Sie brauchte nicht zu erfahren, wie viele Leute für ihn arbeiteten – darunter auch Darrow.
»Aber du hast versprochen...«
Er hob eine Hand, um sie zu unterbrechen. »Nur dass ich mich nicht mehr nach dir erkundigen würde. Mehr habe ich dir nicht zugesichert. Und daran hielt ich mich, bis du hier in Sicherheit warst. Meine Nachforschungen danach ergaben jedoch – um die Wahrheit zu gestehen – sehr wenig. Falls es dich tröstet, India, du hast deine Geheimnisse sehr gut gehütet.«
Vielleicht sollte sie sich getröstet oder zumindest erleichtert fühlen. Keines von beidem beruhigte allerdings ihre Nerven. Stattdessen gewann sie den Eindruck, sie würde unerbittlich in die Enge getrieben. Es kam sogar noch schlimmer – auf dem Weg dorthin sah sie immer wieder
eine Möglichkeit zur Flucht, wusste sie aber nicht zu nutzen.
»Gibt es jemanden, der über deine Zusammenarbeit mit dem Oberst informiert ist?«
»Nein!« Leiser fügte sie hinzu: »Da ist niemand||...« Mit zitternder Hand stellte sie das Glas auf ein kleines Tischchen neben dem Fenster. »Ich schwöre es.«
»Gut, ich glaube dir.«
»Wirklich?«, flüsterte sie erstaunt und hoffnungsvoll.
»Ja. Wenn du mir an jenem Abend eine Falle stellen wolltest, hättest du mich mit einer Anzeige in der Gazette in den Park bestellt. Und wäre jemand anderer – zum Beispiel dein Beschützer – über deine Vereinbarung mit mir unterrichtet gewesen, hätte er dasselbe Verständigungsmittel benutzt. Da Doobin mit der Nachricht zu mir kam, wusste ich, dass du mit niemandem darüber gesprochen hattest.« Nach einer kurzen Pause fuhr South fort: »Offenbar hütest du deine Geheimnisse an allen Fronten.«
»Das kann ich nicht leugnen.«
»Aber nun ist es an der Zeit, einige Geheimnisse zu enthüllen.«
»Nein|...«
»Vertraust du mir?«
Zögernd gestand sie: »Du machst mir Angst.«
»Danach habe ich nicht gefragt. Vertraust du mir?«
»Ja|...«
»Sag mir seinen Namen, India!«
Bedrückt wich sie seinem Blick aus.
»Wer ist dein Beschützer?«
»Lady Margrave«, flüsterte sie fast unhörbar. »Die Countess von Margrave.«
Entgeistert starrte er India an. Dass dem Viscount die Worte fehlten, geschah nur sehr selten. Normalerweise
kam ihm schon nach kurzer Zeit sein Humor zu Hilfe. Diesmal jedoch nicht. Was India ihm soeben mitgeteilt hatte, war zu absurd, und er wusste nicht, wie er darauf reagieren – oder wie er ihr den Schmerz dieses
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