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Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise

Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise

Titel: Glut der Verheißung - Kleypas, L: Glut der Verheißung - Seduce me at sunrise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Höfen und Ausstellungen überflogen hatte, sagte sie bestimmt: »Stoffe und Gewebe.«
    Geschickt führte Merripen sie durch überfüllte Glaskorridore in einen Raum von erstaunlicher Größe und Breite. Die Luft vibrierte von dem Lärm unzähliger Webstühle und Textilmaschinen. Stoffballen und Teppiche lagen überall im Pavillon aufgestapelt herum. Der Geruch von Wolle und scharfen
Färbemitteln biss ihnen in die Nase. Güter aus Kidderminster, Amerika, Spanien, Frankreich und dem Orient füllten den Raum mit den unterschiedlichsten Farbnuancen, Stoffen und Knüpftechniken. Win zog ihre Handschuhe aus und glitt mit den Händen über das atemberaubende Angebot.
    »Merripen, sieh dir das an!«, rief sie. »Ein Wilton-Teppich. Ähnlich einem Brüsseler Teppich, aber mit weichem Haargarnflor. Er fühlt sich wie Samt an, nicht wahr?«
    Der Handelsvertreter, der ganz in der Nähe stand, erklärte: »Der Wilton wird immer erschwinglicher, nun da wir ihn auf dampfbetriebenen Webstühlen herstellen.«
    »Wo liegt Eure Fabrik?«, fragte Merripen, und strich mit der Hand über den weichen Teppich. »Wahrscheinlich in Kidderminster?«
    »Dort, und in Glasgow.«
    Während sich die beiden Männer über die Herstellung von Teppichen auf den neuartigen Webstühlen unterhielten, wanderte Win die Reihen an Ausstellungsstücken entlang. Es gab weitere Maschinen in allen nur erdenklichen Größen und Formen, die entweder Stoffe webten, Muster druckten oder Wollbüschel zu Garn verarbeiteten. Eine von ihnen zeigte, wie das Stopfen von Matratzen und Kissen womöglich in ferner Zukunft maschinell erledigt werden konnte.
    Fasziniert betrachtete Win diese Erneuerungen, als sie auf einmal wieder Merripens Gegenwart spürte. »Da fragt man sich, ob irgendwann einmal alles auf Erden von Maschinen hergestellt wird«, sagte sie.

    Er lächelte schwach. »Wenn wir Zeit hätten, würde ich dich zur Landwirtschaftsausstellung bringen. Ein Mann kann doppelt so viel Getreide in einem Bruchteil der Zeit anbauen, wenn es nicht mit der Hand angepflanzt wird. Wir haben bereits eine Dreschmaschine für die Pächter von Ramsay House angeschafft … Ich zeige sie dir, sobald du in Hampshire bist.«
    »Du heißt diese technischen Erneuerungen gut?«, fragte Win leicht verwundert.
    »Ja, warum nicht?«
    »Die Roma glauben doch nicht an derlei Dinge.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Ungeachtet dessen, woran die Roma glauben mögen, kann ich den Fortschritt nicht ignorieren, der das Leben für uns alle verbessern wird. Die Mechanisierung wird es dem gemeinen Volk ermöglichen, dass es sich Kleidung, Nahrung, Seife … selbst einen Teppich für den Fußboden leisten kann.«
    »Aber was geschieht mit den Menschen, die ihren Lebensunterhalt verlieren, wenn eine Maschine ihren Platz einnimmt?«
    »Neue Industriezweige und unzählige Arbeitsplätze werden geschaffen. Warum soll ein Mensch einer eintönigen Aufgabe nachkommen, wenn man ihn stattdessen unterrichten könnte, damit er mehr aus seinem Leben macht?«
    Win lächelte. »Du redest wie ein Revolutionär«, flüsterte sie schelmisch.
    »Wirtschaftliche Veränderungen werden immer auch von sozialen Veränderungen begleitet. Niemand kann sich dem in den Weg stellen.«

    Welch kluger Verstand, dachte Win. Ihr Vater wäre über die Entwicklung seines Findelkinds erfreut gewesen.
    »Eine große Zahl an Arbeitern wäre vonnöten, um eine solche Industrie am Laufen zu halten«, überlegte sie. »Denkst du, dass genügend Landarbeiter gewillt wären, nach London und in andere Städte zu ziehen, um …«
    Win wurde von einem lauten Knall und mehreren überraschten Schreien unterbrochen. Ein dichter Schauer Daunenfedern erfüllte die Luft mit erstickender Schnelligkeit. Anscheinend hatte die Maschine zum Befüllen der Kissen versagt und ergoss einen Wirbelsturm aus Federn über die Besucher.
    Augenblicklich riss sich Merripen den Überzieher vom Leib, warf ihn über Win und hielt ihr ein Taschentuch über Mund und Nase. »Atme hier hindurch«, murmelte er und zog sie durch den Raum. Die Menschenmenge verteilte sich, einige husteten, andere fluchten, wiederum andere lachten, während sich eine Flut an weichen Daunen wie eine Schneedecke über den Pavillon legte. Köstliches Kindergelächter war zu hören, von all den Jungen und Mädchen, die in den Raum stürzten, um das samtene Weiß aufzufangen.
    Merripen blieb erst stehen, als sie einen weiteren Raum erreicht hatten, in dem verschiedenartige Gewebe ausgestellt wurden.

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