Glut der Versuchung
verstehst. Du hast auf eine Zukunft als Adlige zugunsten von Leidenschaft und Abenteuer verzichtet. «
Fanny verzog das Gesicht. »Was ich mit sechzehn glaubte, und was ich heute weiß, sind zwei völlig verschiedene Dinge. Ich bin inzwischen sehr viel reifer, erfahrener und weiser. Das Leben, nach dem ich mich vor acht Jahren sehnte, ist nicht das, das ich mir heute wünsche.«
Roslyn runzelte die Stirn. Noch nie hatte sie erlebt, dass Fanny die Entscheidungen infrage stellte, die sie in ihrem Leben getroffen hatte. Und Roslyn war nicht wohl dabei, ihre eigenen Entscheidungen infrage gestellt zu sehen. »Müssen wir jetzt darüber reden, Fanny? «
Ihre Freundin musterte sie. »Vermutlich nicht, aber du siehst gar nicht gut aus, Rose. Du hast dunkle Schatten unter den Augen und bist furchtbar blass. Das sind kaum die Symptome einer Frau, die mit ihren Entscheidungen glücklich ist. «
»Mir geht es bestens«, sagte Roslyn, obwohl es eine glatte Lüge war. Seit ihrem Bruch mit Drew schlief sie schlecht und aß so gut wie nichts mehr.
Geistesabwesend drückte sie eine Hand auf ihre Brust, in der ein leiser Schmerz brannte. Sie wusste genau, woher er rührte.
Aber sie wollte nicht über ihre Probleme nachdenken. »Bist du nur hergekommen, um mich wegen meiner gelösten Verlobung zu schelten? «
»Nein.« Fanny lächelte. »Dich zu schelten war mein Hauptgrund, aber ich wollte dir außerdem von meinen Erkundigungen über Sir Rupert und Constance Baines berichten. Leider konnte ich nichts über ihre Beziehung herausbekommen. Falls sie seine Mätresse war und ihm drei Kinder gebar, müssen sie außergewöhnlich diskret gewesen sein.«
Roslyn schürzte die Lippen. »Mich überrascht nicht, dass sie ihre Verbindung streng geheim hielten. Ich würde gern glauben, dass Sir Rupert versuchte, Winifreds Gefühle zu schonen, und sie nicht bloß täuschen wollte, weil sie das Vermögen kontrollierte.«
»Nun, in jedem Fall ist es schwer für Mätressen, wenn ihre Beschützer sterben oder sie verstoßen, insbesondere wenn sie Kinder haben. Ihre Zukunft ist bestenfalls zweifelhaft.«
»Das mag ich mir gar nicht ausmalen«, murmelte Roslyn. »Wenn Sir Rupert Constance geliebt hat, wie Winifred glaubt, müsste er doch für die Familie vorgesorgt haben. Aber Drew ... Arden glaubt, dass Sir Ruperts Anwalt gewissenlos gehandelt haben könnte.«
Fanny nickte wissend. »Constance war leicht zu betrügen, denn sie besaß ja keine rechtliche Handhabe. Hast du schon von Arden gehört, wie weit die Ermittler der Bow Street sind? «
»Noch nicht. Ich hoffe, er meldet sich bald. «
Fanny betrachtete Roslyn eingehend, bevor sie sagte: »Ich möchte nicht mehr mit dir schimpfen, aber bist du sicher, dass du die richtige Entscheidung gefällt hast? Noch kannst du es dir anders überlegen. «
Roslyn wandte den Blick ab. Die Meldung von ihrer gelösten Verlobung war bisher nicht in den Zeitungen erschienen, was jedoch nebensächlich war, bedachte man das weit größere Problem. »Es ist sinnlos, Fanny. Ich könnte Arden nie heiraten.«
»Weil du eine simple Meinungsverschiedenheit mit ihm hattest? «
Entsetzt sah sie ihre Freundin an. »Es war keine simple Meinungsverschiedenheit! Wir haben uns angeschrien.«
Fannys Mundwinkel zuckten. »Nicht jeder Streit ist schlimm ... und die wenigsten sind so destruktiv wie die deiner Eltern. Manchmal kann ein Streit recht nützlich sein.«
»Nützlich?«, fragte Roslyn ungläubig.
»Ein guter Streit hier und da belebt, meine Liebe. Er erhitzt das Blut, erregt die Leidenschaft. Streiten hat wenig mit Liebe zu tun, aber auch dunklere Gefühle sind Teil der Liebe, Roslyn. Ehepaare streiten sich, obwohl sie sich lieben. «
Sie schwieg eine Weile. »Drew und ich lieben uns nicht. Wir ließen uns von der Leidenschaft hinreißen, sonst nichts. «
»Was nicht bedeutet, dass er dich nicht richtig lieben kann.«
»Aber es ist sehr zweifelhaft«, konterte Roslyn. »Er wollte mich gewiss nie heiraten. Ich gehe davon aus, dass er erleichtert ist, wieder frei zu sein.«
»Warum sagst du das? «
»Wenn er unsere Verlobung fortsetzen wollte, hätte er sich bemüht, mich zu überzeugen. Doch ich habe seit zwei Tagen nichts von ihm gehört.«
Fanny wirkte skeptisch, sagte jedoch nichts.
»Also, wie geht es Lily?«, fragte Roslyn, die dringend das Thema wechseln wollte.
Ein Lächeln trat auf Fannys Gesicht. » Erstaunlich gut. Ich hätte nie gedacht, dass eine Akademie für Kurtisanen solchen Erfolg
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