Glutheißer Höllentrip
Passagiere die Gelegenheit zu einer geflüsterten Unterhaltung.
„Ein ausgeschaltetes Handy kann man wirklich nicht orten“, raunte Li Kathy zu. „Die Polizei könnte uns aber trotzdem finden, jedenfalls bei Nacht.“
„Wieso das denn?“
„Nachts ist der Bus zwar in der Finsternis so gut wie unsichtbar, aber die Cops haben Hubschrauber mit Wärmebildkameras. Damit können sie unsere Körperwärme anpeilen. Wir sind immerhin vierzehn Personen, jedenfalls vorerst noch.“
Lis Worte klangen wie eine düstere Prophezeiung. Kathy war wieder einmal beeindruckt von ihrer neuen Reisebekanntschaft. Sie selbst hatte nicht gewusst, dass es so etwas wie Wärmebildkameras gab. Allerdings interessierte sie sich auch nicht besonders für Krimis oder Thriller, sondern las lieber Fantasyromane oder Science-Fiction.
Plötzlich ertönte eine wehleidige weibliche Stimme von der Rückbank. „Kann ich auch etwas zu trinken bekommen, bitte? Oder werden die beiden Mädchen da vorne bevorzugt behandelt?“
Einen Augenblick lang herrschte gespannte Ruhe. Kathy befürchtete schon, dass Pete wieder ausrasten würde. Es war ja nun allgemein bekannt, wie schnell seine Stimmung kippen konnte. Doch momentan schien er gute Laune zu haben.
„Meinetwegen“, knurrte er. „Aber dann komm hier nach vorne. Es gibt nämlich in diesem Bus keinen Butlerservice.“
Eine von den Studentinnen bewegte sich langsam und hüftenschwingend durch den Mittelgang. Sie war blond, hatte eine richtige Modelfigur und trug ein rosa Minikleid im Retrolook. Sie warf über die Schulter hinweg Kathy und Li einen giftigen Blick zu, was Kathy gar nicht verstehen konnte. Von einer Vorzugsbehandlung konnte ja nun wirklich keine Rede sein, nur weil David zuvor ein paar Takte mit ihnen geredet hatte.
Henry wurde plötzlich wieder aktiv. Er hatte ja keinen Hehl daraus gemacht, wie sehr er sich für junge Frauen interessierte. Schnell steckte er seine Pistole in den Hosenbund und eilte beflissen zum eingebauten Kühlschrank, um der Blonden eine Dose Cola zu reichen.
Sie setzte sich quer auf einen Zweiersitz und schlug ihre langen Beine übereinander. Dann riss sie die Büchse auf und nahm einen großen Schluck von der Limo. „Danke, das tut gut. Ich bin übrigens Liza, falls Sie das vorhin nicht richtig mitgekriegt haben.“
Der Mann mit den gelben Haaren nickte ihr zu und ließ sich ihr gegenüber auf der anderen Seite des Mittelgangs ebenfalls auf einen Zweiersitz fallen. „Mein Name ist Henry. Meine Gefangenennummer könnte ich dir auch noch nennen.“
Liza lachte hysterisch, was angesichts ihrer Situation völlig deplatziert wirkte. Dann warf sie dem Geiselnehmer einen Blick zu, den man nur als hemmungsloses Anflirten bezeichnen konnte.
Kathy war sprachlos. Wollte sich diese Liza wirklich an Henry heranmachen? Oder verfolgte sie einen völlig anderen Plan?
3. KAPITEL
Die Wüstennacht kam so schnell und unerwartet wie ein Raubüberfall. Die Dämmerung war nur kurz, nicht mehr als ein rot glühendes Aufleuchten der Bergketten am Horizont. In der Nähe des Busses gab es noch einige zerklüftete Hügel mit spärlicher Vegetation, aber ansonsten bestand die Landschaft nur aus staubtrockenem Boden. Die Schotterpiste, auf der sich der Bus zuletzt bewegt hatte, wurde natürlich auch nicht von Straßenbeleuchtung gesäumt. Daher war es draußen jetzt stockfinster, abgesehen von dem fahlen Licht des Mondes und der Sterne. Im Innern des Busses spendeten die LED-Leseleuchten über den Sitzen ein wenig Licht.
Tagsüber war es glühend heiß gewesen, doch nachts fielen die Temperaturen stark ab. Wieder war es David, der sich um das Wohl der Gekidnappten sorgte. Er gab jedem Passagier eine von den Wolldecken, die sich für Notfälle in dem Gepäckraum des Busses befanden.
Allmählich kehrte Ruhe ein. Jay hatte das Radio im Cockpit auf einen lokalen Sender eingestellt. Countrymusik ertönte; offenbar war das der einzige Sound, der in Nevada ankam. In den Nachrichten wurde die Busentführung mit keiner Silbe erwähnt.
„Miller hat also bisher dichtgehalten“, meinte Pete triumphierend und selbstbewusst. „Er wird jetzt schon dabei sein, die vier Millionen zusammenzukratzen. Morgen früh rufe ich ihn wieder an, dann ist er reif. Jedenfalls hat die Busgesellschaft noch nicht die Cops gerufen.“
„Jede Geisel hat Freunde und Angehörige“, flüsterte Kathy Li zu. „Die werden sich doch wundern, warum wir nicht in Reno angekommen sind. Der Bus ist längst
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