Glutnester
als könne sie etwas Positives dadurch bewirken.
»Und das Mischgerät …? Haben Sie’s gleich, nachdem es defekt war, zur Reparatur gegeben?«, kommt Elsa wieder zum Wesentlichen.
»Am nächsten Tag hatten wir keinen Eingriff. Da brauchten wir’s nicht. Deswegen haben wir auch nicht bemerkt, dass es nicht mehr funktioniert. Gleich am übernächsten Tag haben wir uns des Defektes angenommen.«
»Was wird denn bei Ihnen am häufigsten operiert?«
Frau Felber strahlt mit einem Mal, als ginge es um sie höchstpersönlich. »Die Frau Doktor ist eine begnadete Chirurgin.« Jetzt rückt sie näher an Elsa heran. Die sitzt auf ihrer bunt geblümten Couch vorm Fernseher mit Bild, aber ohne Ton. »Manche Frauenbilder lassen sich hier und da ein wenig renovieren. Das wird auch bei uns, auf dem Land, immer häufiger in Anspruch genommen. Hier können sich sogar Promis aus der Stadt friedlich verstecken. Aber wir haben auch viele Muttermale und Ekzeme und solche Sachen.«
»Dann war der Herr Kratzer wegen seiner Neurodermitis in Behandlung?«
»I wo! Der Hubs wollte sich ein Muttermal entfernen lassen. Gegen die Neurodermitis hilft ja nichts, solange er sich den Allergenen aussetzt. Der Hof ist nicht gerade der ideale Ort für jemanden wie ihn.«
»Hat er dann aber doch nicht getan, stimmt’s?«, tippt Elsa. »Das Muttermal entfernen lassen, meine ich.«
»Weil die Helga zuerst dran war. Und danach, als er ihr riesiges Pflaster am Rücken gesehen hat …«
»Wollte er nicht mehr!«
»Richtig, Frau Wegener. Manche Männer sind Memmen, sag ich Ihnen.«
»Ich vermute, daran lag’s nicht, Frau Felber. Der Herr Kratzer wollte lediglich etwas anderes.«
»Und das wäre?«, fragt die Sprechstundenhilfe brennend interessiert nach. Sie zupft mit ihren langen Fingernägeln an den Wollsocken herum, als wolle sie sie Masche für Masche wieder auftrennen.
»Das wollen Sie nicht wissen, Frau Felber. Glauben Sie’s mir. Sie werden es ohnehin früh genug erfahren.«
»Das klingt jetzt aber nicht gut.«
»Das klingt sogar richtig übel. Leider, Frau Felber. Vorläufig ist alles eine Vermutung. Das muss ich fairerweise dazusagen.« Elsa steht auf, verabschiedet sich ausgiebig, bedankt sich für die stürmischen Tipps und die Auskunft und verlässt das traute Heim einer Leidensgenossin. Draußen, vorm Haus, lacht sie über den ulkigen privaten Teil des Gesprächs. Die Gurkenscheiben und der Seegang gehen ihr im Kopf herum. Und das Beiboot, in dem sie sitzt.
21. Kapitel
Im Haus von Veronika Steffel finden Karl Degenwald und Ben Fürnkreis nichts, außer einem unsäglichen Schweigen, das sie einander darbringen. Beide Männer scheuen sich, auszusprechen, dass sie um dieselbe Frau kämpfen. Ben auf seine extrovertiert sichtbare Art. Degenwald für sich, im Stillen. Auf unscheinbare Weise. Ein Werben, von dem er selbst sich nicht sicher zu sein scheint, dass es überhaupt stattfindet. Was er allerdings weiß, ist, dass es ihm gegen den Strich geht, wenn Ben und Elsa sich privat treffen.
»Haargenau, wie ich dachte!«, gibt Ben nach über
zwei Stunden schnaufend auf. »In einer Gruft gäbe es Interessanteres zu entdecken als hier.«
»Einen erneuten Versuch war’s wert«, entgegnet Degenwald steif und behält weiter seine Gummihandschuhe an.
»Lass uns heimgehen. Es ist schon spät.« Ben drängt seinen Kollegen aus der Tür, löscht das Licht, tritt selbst hinaus und saugt die kühle Nachtluft ein.
»Ich bin gespannt, ob der Hubert tatsächlich Dreck am Stecken hat. Wär schade um ihn«, ist Degenwald laut in seine Überlegungen verstrickt. Kein weiteres privates Wort. Nichts.
»Übrigens«, fängt Ben an, als er endlich vor seinem Wagen steht, den er ein ganzes Stück vom Haus entfernt geparkt hat.
»Ja?«, muckt Degenwald regelrecht auf. Er stiert Ben an, als sei der der Stier und er selbst der Torero mit dem roten Tuch. Einer von ihnen könnte zu Boden gehen. Bildlich gesprochen. Endlich zieht er sich die Handschuhe aus und steckt sie achtlos in die Tasche seines Jacketts.
»Ach nichts«, meint Ben schließlich. »Ist nicht wichtig.«
»Falls es um Elsa geht …« Degenwald reibt sich unsicher das Kinn. Seine Bartstoppeln kommen ihm plötzlich viel zu lang und irgendwie dandyhaft vor. Höchste Zeit, sich wieder mal ein anständiges Äußeres zu verpassen. Er wird zu seinem Ursprung zurückkehren und sich wieder rasieren. »Sie ist noch nicht so weit.«
Ben entkommt ein zügelloses Lachen. Er lacht, als nehme er an
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