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Glutopfer. Thriller

Glutopfer. Thriller

Titel: Glutopfer. Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lister
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Gleisen und rennen los.
    »Danke fürs Mitkommen, Travis«, sagt Sam.
    Er lächelt.
    »Kann euch doch nicht den ganzen Spaß überlassen.«

56
    Obwohl durchweichte Kleidung an ihnen klebt und trotz nasser Füße in quietschenden Schuhen, laufen sie regelmäßig und rasch die Gleise entlang einem unbekannten Ziel entgegen.
    Daniel führt sie an, hält die Schrotflinte mit gesenktem Lauf in beiden Händen.
    »Weißt du, wie man mit dem Ding schießt?«, fragt Sam.
    »Das ist eine Schrotflinte. Man zielt und schießt, und alles im weiteren Umfeld kriegt von dem Schrot was ab.«
    »Dann sehen Sie zu, dass wir nicht in diesem Umfeld sind«, sagt Travis.
    »Überlass das Schießen lieber uns, es sei denn, es geht nicht anders«, wirft Sam ein.
    »Zum Beispiel, wenn wir tot sind«, sagt Travis. »Und wenn Sie sicher sind, dass wir tot sind. Und der Typ trotzdem auf Sie zukommt.«
    »Und wenn du sicher bist, dass du sicher bist«, fügt Sam hinzu.
    »Leute, ich habe –«
    »Ein Buch lesen ist was anderes, als zu handeln«, erklärt sie lächelnd.
    »Ich bin hier aufgewachsen, falls du dich daran noch erinnerst. Als Kind war ich oft mit meinem Onkel auf der Jagd.«
    »Ist länger her, dass Sie ein Kind waren«, sagt Travis.
    »Redet ihr zwei so viel, weil ihr nervös seid?«, fragt Daniel. »Ich werde schon nicht auf euch schießen.«
    Sie laufen weiter, der Schritt wird langsamer, der Atem schwer, und die Gesichter sind schmerzverzerrt.
    »Sie kommen gar nicht dazu, auf mich zu schießen«, sagt Travis. »Vorher explodiert nämlich mein Herz.«
    »Meine Seite fühlt sich an, als würde sie gleich platzen«, sagt Sam. »Müssten wir nicht schon an der Abzweigung sein?«
    »Immer noch zwei Gleise«, sagt Travis. »Also eher nicht.«
    »Macht Schmerz Sie zum Klugscheißer?«
    »Es schmerzt. Ich bin ein Klugscheißer. Also eher schon.«
    Sam sieht Daniel an.
    »Erschieß ihn«, sagt sie. »Ich sage, es war ein Unfall.«
    Daniel schweigt.
    »Was ist denn?«, fragt sie.
    Nicht weit von ihnen ragt ein verrosteter alter Feuerwachturm hoch in den gleichgültigen Himmel, und davor zweigt die rechte Gleisspur ab.
    Wie die meisten Beobachtungstürme der Division of Forestry in der Gegend besteht auch dieser verlassene Feuerturm aus einer kleinen Zelle oder Kabine, die in etwa siebzig Metern Höhe auf eine große Stahlkonstruktion montiert ist. Treppen mit mehreren Plattformen dazwischen führen zu dieser Blechkiste hoch oben über den schlanken Kiefern.
    »Weit kann es nicht mehr sein«, sagt Sam.
    Daniel zieht das Tempo an, die anderen halten mit.
    Nach einer knappen Meile erreichen sie mit der Gleisspur die Zufahrt zur Aufbereitungsanlage, wo auf einem zersplitterten, verblassten, fleckigen Holzschild die Regeln der Anlage stehen.
    »Alle Besucher müssen sich im Büro anmelden«, liest Travis. »Das mache ich, ihr könnt ja inzwischen das Monster erschießen.«
    Etwa siebzig Meter von ihrem Standort entfernt läuft das Gleis mit anderen zusammen, und alle verschwinden unter dem Turm der Fabrik.
    Die Zufahrt der Aufbereitungsanlage sieht der von Auschwitz bemerkenswert ähnlich: Der Turm steht in der Mitte zwischen zwei langen Fabrikgebäuden, die sich nach hinten erstrecken. An Turm und Fabrikgebäuden fehlen Fensterflügel und Bleche, und man sieht der Ruine an, dass sich die Natur bald den Boden zurückholen wird, auf dem sie steht.
    Daniel läuft weiter.
    »Warte«, sagt Sam. »Wir brauchen einen Plan.«
    »Ich hole Ben, ihr zwei holt euch das Monster«, sagt Daniel ohne innezuhalten.
    »Sei vorsichtig«, sagt Sam. »Erschieß Joel, wenn es sein muss.«
    Sie laufen unter dem Turm hindurch und gelangen in einen Innenhof, wo unter Unkraut und Ranken verrostete Geräte, Sandhaufen, Felsbrocken, Kalksteinblöcke und Zellstoffabfälle lagern.
    Die letzte Glut der Sonne verblasst, Dunkelheit bricht herein.
    Links von ihnen erhebt sich hinter einem Güterwagen voller Graffiti ein hohes Fabrikgebäude mit zwei Obergeschossen, zerbrochenen Fensterscheiben und deutlich sichtbarem Rost unter dem verblassten weißen Anstrich des Wellblechs.
    Als Daniel den Hof betritt, riecht er sofort Rauch, Verkohltes, und brennendes Fleisch.
    Bitte nicht Ben. Bitte.
    Weil der Güterwagen gleich in der Nähe steht, rennt Daniel zu ihm hin, setzt die Schrotflinte auf dem Boden ab, schiebt die Tür auf und würgt, als ihm der erste faulige Hauch ins Gesicht weht.
    Der Wagen enthält allem Augenschein nach mindestens vier Leichen in unterschiedlichen

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