Glutopfer. Thriller
kommt, tritt Daniel auf die große, mit Fliegengitter verkleidete Veranda.
Wovor versteckst du dich wohl hier draußen?, fragt sie sich.
»Ist das Haus so alt, wie es aussieht?«, fragt sie, während sie auf ihn zugeht.
»Mein Urgroßvater hat es errichtet. Als Nachbau seines Hauses in St. Martinsville in Louisiana. Dort hat er gewohnt, bis er mit seiner Familie hierhergezogen ist.«
Ohne die Laufkleidung, in Blue Jeans und lockerem weißem Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln sieht er noch besser aus als am Morgen. Er mag ein zwanghafter Mörder sein, aber er ist der erste Mann, den sie seit der Trennung von Stan attraktiv findet.
Serienmörder Ted Bundy war allerdings auch gut aussehend und reizvoll. Daniel hält ihr die Fliegengittertür auf, und sie tritt auf die Veranda.
»Es hat lange leergestanden«, sagt er. »Es war viel daran zu tun. Leider bin ich handwerklich nicht besonders begabt.«
Er lässt sie ins Haus vorangehen und folgt ihr dann.
»Was hat dich hierher zurückgeführt?«, fragt sie.
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Und die Kurzversion?«
»Brauchte Veränderung.«
»Das ist ziemlich kurz.«
Das Äußere des Hauses lässt nicht auf sein Inneres schließen. Sam steht in einem schönen, großen Zimmer mit polierten Hartholzböden, hohen Decken, Bücherregalen an sämtlichen Wänden und einer großen Fensterfront aus Tafelglas, durch die man den Garten und bis hinunter zum Dead River sieht. Im Unterschied zu Bens Büchern sind Daniels nicht in Leder gebunden und werden offenbar gründlich gelesen.
»Von innen ist es ein ganz anderes Haus.«
Sam hört, dass leise, kaum wahrnehmbar, Musik läuft, die beruhigend wirkt. Vielleicht der Soundtrack eines hochemotionalen Films, aber sie kann sie nicht einordnen.
»Ich habe es umbauen lassen, aber dann ist mir das Geld ausgegangen«, sagt er. »Möchtest du was trinken?«
Während er für beide gesüßten Tee zubereitet, geht sie über Orientteppiche in die Mitte des Zimmers zu einer hellbraunen Ledercouch und nimmt dort Platz.
Das kühle, stille Haus wirkt so friedlich, und als sie in das Sofa sinkt, entspannt sie sich plötzlich, eine Reaktion, die sie überrascht.
»Wirklich schön hast du es hier.«
Er reicht ihr ein großes, unten mit einer Serviette umwickeltes Glas gesüßten Eistees und setzt sich ihr gegenüber.
»Es fördert das Schreiben, und damit beschäftige ich mich mittlerweile hauptsächlich.«
»Was schreibst du denn gerade?«
»Verschiedenes. Zum Beispiel ein weiteres Buch über Ermittlungsarbeit bei religiös motivierten Verbrechen.«
»Dein erstes habe ich gelesen. Es war sehr interessant.«
»Danke. Außerdem arbeite ich gerade an einem eher allgemeinen Buch über Religion mit dem Titel: ›Religion jenseits der großen Kirchen: Mäandernde Pfade für randständige Seelen‹.«
Sie nickt.
»Hört sich gut an. Und wie läuft’s?«
»Sehr langsam.«
»Vielleicht, weil es hier zu schön ist? Oder weil du so oft joggen gehst?«
Er lächelt.
»Gute Überleitung«, sagt er.
»Aber nicht perfekt, sonst hättest du nicht gemerkt, dass es eine ist.«
»Meine Freunde haben sich kaputtgelacht, als ich erzählt habe, dass du mich für den Mörder hältst.«
»Ich halte dich nicht –«
»Oder für den möglichen Mörder«, sagt er, »und das nach dem, was in Miami zwischen uns war. Reden wir darüber?«
»Worüber sollen wir da reden?«
»Über das, was passiert ist.«
»Was meinst du?«
»Warum du einen Rückzieher gemacht hast, als es gerade so gut anfing.«
»Ich war mit jemand zusammen«, sagt sie. »Ich dachte, es wäre vorbei. War es dann aber doch nicht.«
»Hätte ich ganz gern gewusst.«
»Tut mir leid. Ich war da nicht besonders gut aufgehoben.«
»Und jetzt?«
»Jetzt geht’s mir viel besser.«
»Ja, klar, aber ich meinte, ob du noch mit jemand zusammen bist.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Es ist vorbei.«
»Wirklich vorbei?«, fragt er. »Oder Miami vorbei?«
»Vorbei vorbei.«
»Gut.«
»Spielt aber gar keine Rolle. Tja, jetzt hast du mir tatsächlich die schöne Überleitung versaut.«
Er lächelt.
»Tut mir leid.«
»Also frage ich einfach. Wie kommt es, dass du heute so weit gelaufen bist?«
Er zuckt mit den Schultern.
»Einfach so. Ich versuche eben, jeden Tag ein bisschen weiter zu laufen.«
»Wie kommt es, dass du zum Depot gegangen bist und hineingesehen hast?«
»Das hätte ich wahrscheinlich so oder so getan, aber ich habe den Geruch bemerkt.«
»Gehst du sonderbaren
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