Glutopfer. Thriller
hießen
olah
nach dem hebräischen Wort, das so viel wie aufsteigend bedeutet, denn sie wurden vom Feuer verzehrt und stiegen währenddessen auf zu Gott.
Von jeder Opfergabe wurde ein Teil im Heiligen Feuer verbrannt, doch Brandopfer verbrannte man gänzlich.
Brandopfer gehören zu den Weiheopfern und betonen, dass sich der Opfernde Gott vollkommen hingibt und unterwirft. Wenn der Opfernde das Opfertier zum Kupfernen Altar brachte, legte er seine Hände auf den Kopf der Opfergabe, um seine Sünden darauf zu übertragen, und tötete es dann an der Nordseite des Altars, und der Priester fing das Blut auf und versprengte es um den Altar, zerteilte anschließend das Opfertier, wusch die unreinen Teile und legte sie sorgfältig auf das Feuer des Brandopferaltars.
Er ist Opfernder und Priester zugleich. Als Opfernder wählt er seine Opfergabe aus, bringt sie an den entsprechenden Ort und tötet sie. Als Priester entfernt er die Haut, versprengt das Blut, zerteilt die Leiche und platziert sie auf dem Altar. Als Priester ist er auch dafür verantwortlich, dass das Feuer geschürt und unterhalten wird.
Weil die Opfergabe auf dem Altar vollständig verzehrt wird, geben sich Opfernder und Priester nicht wie bei anderen Opferungen teilweise, sondern vollständig hin. Wie viele ihrer Zeitgenossen brachten auch die Patriarchen und Priester des alten Israel Brandopfer dar. Abraham, der Stammvater des Judentums, des Islam und des Christentums war sogar bereit gewesen, seinen Sohn im Feuer zu opfern. Brandopfer sollen Reinigung, Läuterung und Sühne bringen – ein Leben wird genommen, ein Leben verschont.
Daniel schaudert, als er liest, dass Brandopfer die häufigste Form der Opferung waren. Es waren sogar ständige Brandopfer vorgesehen – eines jeden Morgen und jeden Abend, darüber hinaus eines an jedem Sabbat, zu Beginn jedes Monats und zusätzliche an jedem Feiertag.
Dann fällt ihm schlagartig etwas ein. Das erste Opfer wurde an Rosch ha-Schana dargebracht. Bis zum Tag der Sühne sind es nur noch wenige Tage, und der verlangt sogar neun Brandopfer – an einem einzigen Tag.
Er wirft das Buch beiseite, sucht sein Telefon und ruft Sam an.
»Es ist Rosch ha-Schana«, sagt er.
»Tja, dann frohes neues Jahr. Ich dachte, das war letzte Woche.«
»Ja. War es auch. Da hat er sein erstes Opfer getötet.«
»Ich wollte dich gerade anrufen. Ein Zahnarzt in Pine Key konnte uns Informationen für die Identifizierung des Opfers aus dem Depot geben.«
»War sie Jüdin?«
»Ja. Naomi Abramson. Sollte eigentlich auf einer Kreuzfahrt sein. Niemand hat sie vermisst.«
»Wo bist du gerade?«
»Auf dem Weg, eine Tür einzutreten, aber ich kann kurz vorbeikommen.«
»Dann tötet er nach den jüdischen Feiertagen?«
Sie sind nun in seiner Küche. Weil beide den ganzen Tag noch nichts gegessen haben, hat Daniel Zimtbrötchen in den Ofen geschoben. Sam sitzt am Tisch. Er ist übersät mit ausgedruckten Fotos von den Schnitzereien, aufgeschlagenen Büchern, in denen Kreuze abgebildet sind, und Büchern über Moses’ Erscheinungszelt und jüdische Feiertage.
»Ich glaube schon«, sagt er. »Das erste Opfer wurde an Rosch ha-Schana getötet.«
»Da haben wir es gefunden. Getötet wurde die Frau nicht an dem Tag. Sondern in der Nacht zuvor.«
»Ja«, sagt er. »Jüdische Feiertage beginnen und enden immer bei Sonnenuntergang. In der Nacht, als er sein erstes Opfer getötet hat, begann Rosch ha-Schana bei Sonnenuntergang. Als wir die Leiche gefunden haben, war immer noch Rosch ha-Schana, bis zum Sonnenuntergang am Abend.«
»Und wir wissen jetzt, dass sie Jüdin war.«
»Also passt es.«
Nun wendet er sich vom Fenster in der Ofentür ab und sieht sie an. Dann wirft er den Ofenhandschuh auf den Tresen, geht zu ihr hinüber.
Sie schweigen eine Weile und starren einander in die müden Augen, während unbestreitbar etwas zwischen ihnen geschieht.
Irgendwann schaut sie weg.
»Wenn es da um Rosch ha-Schana ging, warum –«
»Ich glaube nicht, dass es so war. Ich meine, ja, damit hat alles begonnen, aber das war nur der Anfang. Ich glaube, was er da tut, wird in Jom Kippur kulminieren, dem Tag der Sühne oder Versöhnungstag. Rosch ha-Schana und Jom Kippur sind überaus wichtig, eine Zeit der Einkehr und des Umdenkens. Es ist der Anfang eines neuen Jahres, und manche glauben, dass Gott in dieser Zeit beschließt, wer im kommenden Jahr leben und wer sterben wird. Alle Aktivitäten um diese Zeit, all die Gebete, Riten und Rituale
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