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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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hatte er sich zum ersten Mal in die dunklen, kalten, stillen Tunnel gewagt. Kein Geplapper, kein Verkehrslärm, keine kritischen Blicke, niemand, der ihn musterte und für mangelhaft befand.
    Cooper hatte die Polizei verständigt und alle an diesen Ort geführt. Eloise und Ray waren ebenfalls dabei gewesen. Wäre dieses dumme Mädchen nicht dort aufgetaucht, wo sie nichts zu suchen hatte, hätte niemand von seinen heimlichen Grabungen erfahren. Nun war die Stelle öffentlich geworden, und ein anderer würde die Lorbeeren kassieren. Aber nein, darum ging es doch gar nicht, oder? Warum hatte er zu weinen angefangen?
    Michael rappelte sich auf und stellte sich vor den Mineneingang. Als er nach dem Tod seines Vaters zum ersten Mal wieder hergekommen war, war der Zugang mit Brettern vernagelt gewesen. Ein Schild der Stadtverwaltung bezeichnete den Schacht als einsturzgefährdet. BETRETEN VERBOTEN , stand dort. LEBENSGEFAHR . Michael hatte ein Brecheisen bei sich gehabt und den Eingang aufgebrochen. Die Bretter lagen immer noch daneben, ein Haufen aus zersplittertem Holz und rostigen Nägeln.
    »Was hast du mit ihr gemacht?«, schrie er in die Dunkelheit hinein. Diese Dunkelheit war greifbar, sie war fest und feucht. Sie wäre in der Lage, ihn zu packen und unter Tage zu ziehen.
    »Was hast du mit ihr gemacht?« Die Frage prallte von den Wänden des Bergwerks ab und wurde ihm entgegengeschleudert. Er klang verzweifelt und wie verrückt vor Kummer, fast erkannte er seine eigene, seltsam verzerrte Stimme nicht wieder.
    Seine Erinnerungen an jene Nacht waren so unzugänglich wie einst dieser Minenschacht. Betreten verboten. Gefahr. Und kein Brecheisen der Welt war geeignet, den Zugang zu erzwingen. Michael konnte sich nur noch an die Heimfahrt auf dem Fahrrad erinnern, an die stillen Kleinstadtstraßen, den Vollmond hoch oben am Himmel, die dunklen Häuser. Er ließ das Fahrrad auf dem Rasen vor dem Haus zurück, es kippte um und blieb mit eingedrehtem Vorderrad liegen. Er stieg die Verandatreppe hinauf und legte eine Hand an den Türgriff. Aber in seiner Erinnerung war die Tür abgesperrt. Wie sehr er sich auch bemühte, sie gab keinen Zentimeter nach. Und nun hatte er keine Lust mehr.
    »Alle Antworten liegen da unten vergraben«, hatte sein Vater über die Schächte und Tunnel gesagt. »Da unten kann man endlich in Ruhe seinen Gedanken nachhängen.«
    Vielleicht sollte er genau das tun. Hinabsteigen. Vielleicht hatte sein Vater recht, und die Antworten lagen dort unten.
    »Michael!«
    Er schaute zwischen den Bäumen hindurch. Die Stimme klang vertraut. Ray Muldune. Er näherte sich zögerlich.
    »Michael!«
    Ray war in Ordnung, aber Michael wollte sich nicht mehr unterhalten. Nicht mit Ray, und mit niemandem sonst. Er schulterte seinen Rucksack. Er zog den Kopf ein und verschwand in der Mine, in der seligen Stille.

SIEBENUNDZWANZIG
    A ls Cole vor dem Haus hielt, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Er spürte es einfach. Der Wagen seines Vaters stand in der Einfahrt, dabei kam der sonst nie nach Hause, bevor Claire und Cameron schliefen. Paulas Geländewagen war verschwunden. Und noch etwas fiel Cole auf. Während er im Auto saß und zum Haus hinaufstarrte, bemerkte er, dass er es am Abend noch nie ohne Außenbeleuchtung gesehen hatte. Paula schaltete stets alle Lampen ein, draußen und drinnen. Ich mag die Dunkelheit nicht, hatte sie ihm erklärt, sie macht mich traurig. Sein Dad beschwerte sich, wenn das Licht in Zimmern brannte, in denen sich niemand aufhielt. Cole hingegen freute sich. Er mochte die Dunkelheit ebenfalls nicht.
    Er zwang sich auszusteigen, auch wenn er am liebsten einfach weitergefahren wäre. Er hätte sofort zu Willow fahren sollen. Er hatte es vorgehabt. Aber dann war ihm eingefallen, dass er Cameron versprochen hatte, nach der Schule mit ihm zu spielen, und er wollte das Versprechen, das er seinem kleinen Bruder gegeben hatte, unbedingt einhalten. Er schlug die Fahrertür zu, und der Knall hallte durch die menschenleere Straße. Er parkte nicht in der Einfahrt, nur für den Fall, dass sein Vater noch einmal weg musste oder Paula nach Hause kam.
    Cole durchquerte die Garage und stieg die drei hölzernen Stufen hinauf, über die man in den Hauswirtschaftsraum gelangte. Anders als sonst wurde er nicht vom Chaos empfangen. Normalerweise lagen Cams Schuhe, seine Jacke und seine Büchertasche auf dem Fußboden, bis Paula Zeit fand, alles wegzuräumen. Normalerweise lief der Fernseher, oder Claire

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