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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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sondern nur zwei Furchen, die sich zwischen den Bäumen dahinzogen. Ray trat auf die Bremse.
    Der Erdboden vor ihnen war nass und hatte sich in weichen, zähen Schlamm verwandelt. Es nieselte nur leicht, aber der Himmel war so grau, als nähme er nie wieder eine andere Farbe an.
    »Den Rest müssen wir zu Fuß gehen«, sagte Ray und blinzelte sie skeptisch an. »Meinst du, du schaffst das?«
    Eloise versuchte nicht einmal, die Empörte zu spielen.
    »Ja, ich glaube schon.«
    »Es ist nicht mehr weit, aber in diesem Matsch kommt meine Karre nicht weiter.« Er tätschelte das Lenkrad. »Und falls doch, kommt sie nicht mehr raus.«
    Als sie aus dem Auto stiegen, hörten sie Stimmen. Sie bewegten sich auf die Geräusche zu, wobei Eloise sich an Rays Arm klammerte, um auf dem glitschigen Boden nicht auszurutschen. Ihre gelben Gummistiefel stachen vom Braun der Erde ab, und bei jedem Schritt war ein Schlürfgeräusch zu hören. Als sie die Lichtung erreichten, sahen sie vier uniformierte Männer eine Grube ausheben, während ein paar andere in schwarzer Regenkleidung drumherum standen und zuschauten. Mit den kahlen Bäumen und dem Regen erinnerte die trostlose Szene an eine Beerdigung. Eloise schauderte.
    »Bullen«, sagte Ray. Er spuckte das Wort aus, als würde er »Termiten« sagen – er schien überrascht, bestürzt, als befürchtete er das Schlimmste. Kaum zu glauben, dass er selbst einmal ein Bulle gewesen war. »Was suchen die denn hier?«
    »Jede Wette, dass sie Marla suchen?«
    »Nein«, sagte Ray, »woher sollten sie von der Kapelle wissen?«
    Inmitten der Bäume, hinter der Lichtung, nahmen sie eine Bewegung wahr, und dann stand er plötzlich vor ihnen, genau so wie seine Mutter ihn beschrieben hatte, zu groß und kräftig. Er war ganz in Schwarz gekleidet, und das lange, schwarze Haar hing ihm in nassen Strähnen ins Gesicht. Er ließ die Arme hängen, ballte die Fäuste und sah aus wie ein Ungeheuer. Bei seinem ersten Besuch bei Eloise hatte er nett und belesen gewirkt, er hatte einen Pferdeschwanz und eine runde Nickelbrille getragen, dazu saubere Jeans und ein blaues T-Shirt. Er machte denselben Eindruck wie damals als Kind, schüchtern und sanft. Aber der Mann zwischen den Bäumen ließ Eloise vor Furcht erbeben. Sie wollte Ray auf die Erscheinung aufmerksam machen, aber sie kam nicht dazu.
    »Ich habe etwas!« Eine vor Aufregung schrille Stimme zerriss die Stille. Aus den Baumwipfeln erhoben sich ein paar große Vögel mit trägem Flügelschlag. Von hinten näherte sich Jones Cooper, er räusperte sich laut, um sie, wie Eloise sich dachte, nicht zu erschrecken. Ray fuhr herum.
    »Hier geht es ja zu wie in der Grand Central«, sagte er. Er gab sich keine Mühe, seine Abneigung zu verbergen, und grinste höhnisch. Eloise wusste nicht mehr, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber es war ihr auch egal. Zwei alte Hunde, die sich um einen Knochen balgten.
    »Lang ist’s her, Muldune«, sagte Jones. Eloise bemerkte, dass er sich um Höflichkeit bemühte, selbst wenn er verärgert war. Sie war sich nicht sicher, ob sie diese Eigenschaft gutheißen oder als ein Zeichen von Verlogenheit betrachten sollte. Sie blickte zurück zur Lichtung – gerade noch rechtzeitig, um Michael zwischen den Bäumen in der Dunkelheit verschwinden zu sehen. Sie sagte kein Wort; irgendetwas hielt sie zurück.
    Das Trio setzte sich in Bewegung und näherte sich der Gruppe, die um die Grube herumstand. Als sie näher kamen, rief Jones: »Leute, was habt ihr gefunden?«
    Der Uniformierte, der gesprochen hatte, war fast noch ein Junge und hatte ein glattes, bartloses Gesicht. Er sah bleich und verschreckt aus.
    »Detective Cooper«, rief er hinauf. Gab es in dieser Stadt eigentlich jemanden, der Jones Cooper nicht kannte? »Ich glaube, hier liegen Knochen.«
    Alle schauten in das Loch hinunter und sahen etwas Weißes in der schwarzen Erde leuchten.
    »Okay«, sagte Jones und hob eine Hand, »treten Sie zurück, die Grabung wird eingestellt. Rufen Sie Detective Ferrigno an, und bestellen Sie die Kriminaltechniker.«
    »Eloise, bitte, verrate ihnen nichts!«, flehte Marla. Laut und deutlich hallte ihre Stimme durch Eloises Kopf.
    »Zu spät«, sagte sie. Alle drehten sich zu ihr um, die Gesichter ernst und grimmig. Mehr nahm Eloise nicht wahr.
    Marla setzte sich auf dem Waldboden auf und wischte sich den Dreck von der Kleidung. Für jemanden, der über zwanzig Jahre im Erdboden gelegen hatte, war sie erstaunlich gut frisiert. An ihrem

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