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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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Nachmittag einen Termin mit dem Anwalt vereinbaren?«
    »Sicher?«, fragte ihre Mutter. »Wir würden uns sofort ins Auto setzen.«
    Paula betrachtete Cameron und Claire, die friedlich schliefen. Sie brauchten Ruhe, so wie Paula. Sie würde es nicht übers Herz bringen, sie jetzt zu wecken.
    »Ganz sicher.«
    Sie gab ihrer Mutter den Namen des Hotels durch, nur für den Fall, dass sie sich Sorgen machte und noch einmal anrufen wollte. Als sie auflegte, ging es ihr schon besser. Alles würde gut werden. Sie stand auf und überprüfte das Türschloss. Sie schob einen Stuhl unter den Türknauf. Sie schlüpfte unter die Decke und schloss die Augen, ohne das Licht auszuknipsen. Zum ersten Mal seit drei Nächten schlief sie tief und fest. Die Pistole lag im Nachtschränkchen.

EINUNDDREISSIG
    G erade als Willow dachte, das Leben könnte schlimmer nicht werden, kam Mr. Ivy zum Abendessen. Konnte das wirklich sein? Sollte sie sich damit tatsächlich abfinden? Früher wäre es für ihre Mutter gesellschaftlich unmöglich, ein moralisches Tabu gewesen, einen Mann einzuladen. Sie war ein Mal verwitwet und ein Mal geschieden. Wieso gab sie es nicht einfach auf?
    Und dann tat sie so, als sei nichts dabei. Ach, Willow … habe ich dir erzählt, dass ich Mr. Ivy zum Abendessen eingeladen habe? – Was? Wann? – Äh … heute Abend. Willow war aufgefallen, dass ihr Mutter ein Kleid trug statt der üblichen Leggings und dem dicken Pullover. Und sie trug das Haar offen. Und war sie etwa geschminkt? Oh, mein Gott. Du willst was von ihm?! – Ich bin kein Teenager mehr, Willow. Wieso darf ich keine Freunde haben? – Dann ist er jetzt ein Freund? – Er ist noch gar nichts. – Wozu hast du dann Parfum benutzt?
    Und nun saß er Willow gegenüber. Er aß langsam und manierlich, sie hätte es ahnen können. Wahrscheinlich kaute er jeden Bissen zwanzig Mal, so wie man es von seiner Mom gesagt bekam. Wenigstens trug er heute keinen Pullunder, sondern ein Jeanshemd, in dem er einigermaßen cool aussah. Seine Frisur war auch ganz okay. War das sein Dating -Look, im Gegensatz zum Schuldirektor -Look? Denn ganz offensichtlich war es ein Date. Es ging nicht um Willow und ihre Schulnoten. Trotzdem hatten sie versucht, sie ins Gespräch mit einzubeziehen.
    Der Kerl hing an den Lippen ihrer Mutter, er beugte sich vor, lächelte und lachte pausenlos. Hach, sie amüsierten sich prächtig. Beim Salat hatte Willow sich noch halbwegs einreden können, dass ihre Mutter lediglich nett sein wollte. Aber während des Hauptgangs (Bethanys chilenischer Seebarsch mit Hoisin-Sauce und jungem Pak Choi, ein Gericht, das selbst Willow mochte) konnte sie es nicht mehr ignorieren. Ihre Mutter errötete und lächelte immerzu interessiert, ein Verhalten, das Willow vorher noch nie aufgefallen war, und ihr wurde klar, dass sie auf Mr. Ivy stand. Beim Nachtisch hätte sie am liebsten auf den Tisch gekotzt. Sie hielt es nicht mehr aus.
    »Kommt Richard am Wochenende?«, fragte sie. »Du hast doch gesagt, er kommt und bleibt über Nacht.«
    Ihre Mutter lächelte sie kühl an. Sie kannten sich einfach zu gut.
    »Richard, mein Ex-Mann, Willows Stiefvater«, sagte Bethany zu Mr. Ivy, der mitten in der Kaubewegung innehielt. »Und nein, er bleibt nicht über Nacht. Hat er noch nie, was Willow sehr wohl weiß.«
    Bethany und Mr. Ivy tauschten Blicke aus und lächelten sich vielsagend an.
    »Sie war zweimal verheiratet«, sagte Willow, »wussten Sie das?« Oh, in diesen finsteren Momenten spürte sie dieses Loch in ihrem Herzen. Die Ernüchterung folgte, sobald sie Bethanys Gesichtsausdruck sah. Ihre Mutter war nicht wütend, sondern verletzt.
    »Ähem«, sagte Bethany und starrte auf ihren Teller. Sie hielt die Serviette fest umklammert. Mr. Ivy hatte sich zurückgelehnt und schlug nun ebenfalls die Augen nieder.
    »Mein erster Mann«, sagte Bethany schließlich, »Willows Vater, ist gestorben, als sie drei war.«
    Er schaute auf, aber Bethany suchte keinen Blickkontakt.
    »Das tut mir so leid«, sagte er, »das muss sehr … schwer für Sie gewesen sein.«
    Bethany gab jenes betretene Lachen von sich, das sie immer ausstieß, wenn es eigentlich nichts zu lachen gab, sie aber für gute Laune sorgen wollte.
    »Ist lange her.«
    »Ja«, sagte Willow, »sie hat ihn praktisch vergessen.«
    Als Bethany den Kopf hob, sah Willow, wie sich ihre Gehässigkeit in den Augen der Mutter spiegelte. Wie konnte sie nur so etwas Schreckliches sagen? Ihre Mutter dachte jeden Tag an ihren

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