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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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balancierte er Willows Handy. Bethany nahm es entgegen.
    »Vielen Dank«, sagte sie, »das war sehr nett von Ihnen.«
    Sie ließ das Handy in ihre Handtasche gleiten, hob den Kopf – und blickte in sein lächelndes Gesicht. Aus irgendeinem Grund strahlte er sie an. Bethany musste zurücklächeln.
    »Ich habe am Telefon Ihren Namen nicht verstanden«, sagte sie.
    »Michael Holt.« Er streckte ihr eine Hand entgegen, und Bethany schüttelte sie. Sein Griff war fest und trocken. Nicht zu fest, er musste nichts beweisen. Sie konnte es nicht leiden, eine schlaffe Hand zu drücken – egal, ob Mann oder Frau. Eine schlaffe Hand verriet den schlaffen Geist. Und einem schlaffen Geist war nicht zu trauen. Manche Männer hingegen drückten zu fest zu, um sich aufzuspielen und ihre Kraft zu demonstrieren. Wenn sie zurückdachte, fiel ihr auf, dass es das erste schlechte Omen gewesen war, als sie ihren Mann kennengelernt hatte. Nach der ersten Begrüßung hatte ihre Hand geschmerzt.
    Michael vergrub die Hände in den Taschen und wiegte sich vor und zurück. Die Geste wirkte jungenhaft, dabei konnte Bethany die ersten grauen Strähnen in seiner schwarzen Mähne erkennen und erste Fältchen unter seinen Augen. Wahrscheinlich war er Ende dreißig.
    »Ich glaube, ich habe Ihre Kleine erschreckt«, sagte er. »Ihre Tochter, meine ich. Bestimmt möchte sie nicht ›Kleine‹ genannt werden.«
    »Sie haben Kinder?«, fragte Bethany.
    Er schüttelte den Kopf und schlug die Augen nieder.
    »Ich habe zwei Nichten. Zwillinge im selben Alter, dreizehn … aber sie führen sich auf wie junge Damen.«
    Willow war fünfzehn, sah aber viel jünger aus. Es machte sie verrückt, ständig für jünger gehalten zu werden. Du solltest es mit dem Älterwerden nicht so eilig haben , pflegte Bethany zu sagen. Du hast gut reden, war Willows Antwort. Du bist schon erwachsen. Dir kann niemand Vorschriften machen. So denken die Kinder übers Erwachsensein: Niemand macht einem mehr Vorschriften. Es war müßig, Willow den Preis der Freiheit erklären zu wollen.
    »Trotzdem, vielen Dank«, sagte sie.
    »Doppelter Espresso mit einem Schuss Milch. Macht zwei Dollar und neun Cent«, sagte Todd.
    Sie zog einen Zwanzigdollarschein aus der Tasche und reichte ihn hinüber. »Und die Rechnung dieses Herrn hier übernehme ich auch.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte Michael schnell.
    »Es ist mir ein Vergnügen«, sagte Bethany. »Ich bestehe darauf.«
    Er sah aus, als wollte er protestieren, aber dann setzte er sein nettes Lächeln auf.
    »Vielen Dank«, sagte er.
    Als Todd ihr das Wechselgeld gegeben hatte und sie sich verabschieden wollte, zeigte Michael auf seinen Tisch und fragte: »Möchten Sie sich zu mir setzen?«
    Bethany spürte, dass er nur höflich sein wollte und nicht damit rechnete, dass sie das Angebot annahm. Sie schaute aus dem Fenster und sah Willow zusammengekrümmt im Auto sitzen. Sie trug iPod-Kopfhörer und nickte im Takt der Musik. Aber sie schaute herüber und hatte Michael Holt gesehen. Bethany wunderte sich, dass Willow immer noch im Auto saß. Sie hatte damit gerechnet, dass ihre Tochter sich an der Fensterscheibe die Nase platt drückte.
    »Meine Tochter wartet im Auto auf mich«, sagte sie. Sie wollte nicht unhöflich sein. Eigentlich hatte Bethany kaum noch mit Männern zu tun; sie hatte sich vorgenommen, sich für eine Weile nicht mehr für Männer zu interessieren. Andererseits fand sie Michael recht interessant. Nein, sie fühlte sich kein bisschen zu ihm hingezogen. Aber sie war neugierig. Er war eigen. Sie wusste nicht, auf welche Art, aber sie hatte eine Schwäche für Charakterköpfe.
    Einen Moment lang standen sie betreten herum. Er schaute auf seine Schuhe, sie ließ den Blick schweifen. Todd lungerte ohne ersichtlichen Grund an der Spüle herum; bestimmt wollte er sie belauschen. Das Kleinkind am anderen Ende des Raumes kreischte begeistert. »Schh, wir sind nicht allein«, mahnte die Mutter leise.
    »Was haben Sie da draußen im Wald gemacht?«, fragte sie schließlich. Sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Sie nippte an ihrem Espresso und beobachtete ihn über den Rand des Pappbechers hinweg. »Willow ist überzeugt, Sie hätten eine Leiche vergraben.«
    Er lachte nervös, was auf ganz eigene Art bezaubernd war. Er nahm die Brille ab und benutzte das Bündchen seines Pullovers, um die Gläser zu putzen. Bethany musste selbst ein bisschen lachen.
    »Sie ist die Tochter einer Thrillerautorin«, sagte er.
    Im selben

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