Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
Vom Netzwerk:
lieber hinsetzen? Er zog einen Stuhl heran, obwohl er am liebsten weggegangen wäre und den Fernseher eingeschaltet hätte in der Hoffnung, Maggie würde sich in ihre Praxis zurückziehen. Er hätte die Unterhaltung gern auf einen Tag verschoben, an dem er sich weniger ausgelaugt fühlte. Er wusste selbst nicht, ob dieser Tag jemals kommen würde.
    »Ich weiß ja nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich schlafe nicht mehr in unserem Bett.«
    Jones zog die Schultern hoch.
    »Doch, es ist mir aufgefallen. Es liegt an meinem Schnarchen, nicht wahr? Und dass ich so oft aufwache.«
    »Ja, zum Teil.«
    Vor langer Zeit, als Ricky noch ein Kleinkind gewesen war, hatten sie eine Weile getrennt geschlafen. Jones war regelmäßig mitten in der Nacht aufgewacht und musste feststellen, dass Maggie unten auf dem Sofa lag oder im Gästezimmer. Er beobachtete sie dann für eine Weile und legte sich wieder hin. Er hatte sie nie nach dem Grund gefragt, aber er konnte sich erinnern, dass ihn der Anblick jedes Mal erschreckt hatte, denn ihm wurde klar, dass sie ein eigenständiger Mensch war und er zu ihrem Innenleben keinen Zugang hatte, solange sie sich ihm nicht öffnete. Und auf einmal beschlich ihn dieses Gefühl von damals, diese unheimliche Angst. Sie saß ihm gegenüber, schien aber meilenweit entfernt zu sein. Am liebsten hätte er ihre Hand ergriffen. Er könnte sagen: Hey, was ist los? Ich liebe dich . Er könnte in jenem sanften Ton sprechen, der sie stets beruhigte. Er tat es nicht.
    »Das vergangene Jahr war sehr anstrengend«, sagte sie. »Für dich, für mich.«
    Er schaute zu, wie sie an ihrem Ehering drehte, sah die muskulösen Finger, die rosafarbigen, kurzen Nägel, die milchweiße Haut. Er versuchte sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten (war es vor einer Woche gewesen oder vor zwei?) oder wann sie sich zum letzten Mal so richtig amüsiert hatten (noch länger her). Es gelang ihm nicht. In der Scheibe der Terrassentür, durch die man auf die Terrasse mit dem Pool gelangte, sah er sein Spiegelbild. Er sah aus wie ein Ungetüm. Die Schöne und das Biest.
    »Ich weiß«, sagte er, »und es tut mir leid.«
    Sie streckte ihm ihre Hand entgegen, und er ergriff sie.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, sagte sie. »Ich weiß, wie schwer du es hast. Aber für mich ist es auch nicht leicht … nach allem, was du mir in den letzten Jahren verheimlicht hast. Und bei allem, was ich über meine eigene Vergangenheit erfahren musste. Und dann deine … Pensionierung.« Beim letzten Wort zögerte sie, so als zweifle sie an ihrer Wortwahl. Und natürlich war das nicht die richtige Bezeichnung, aber ihm fiel auch keine bessere ein.
    Er schaffte es nicht, ihr in die Augen zu sehen. Ihre Augen waren von einem durchdringenden Blau; er hatte sie vor Liebe, vor Wut und vor Angst leuchten sehen. Er wollte gar nicht wissen, was sich jetzt in diesem Moment in Maggies Kopf abspielte.
    »Wir entfernen uns immer weiter voneinander, Jones. Und falls der Abgrund noch tiefer wird, können wir ihn nicht mehr überbrücken.«
    Er schüttelte den Kopf, fand aber keine Worte. Nie hatte er sich vorstellen können, dass etwas zwischen ihnen stand, das sich nicht ausräumen ließe. Wer wäre er denn ohne Maggie?
    »Sieh mich an«, sagte sie.
    Und er sah seine Frau an. Sie liebte ihn, das konnte er sehen. Aber er konnte auch sehen, wie traurig sie war, wie verzweifelt. Der Geschirrspüler in der Küche brummte. Die Eismaschine im Kühlschrank spuckte klirrend Würfel aus.
    »Was willst du damit sagen?«, fragte er.
    »Ich will sagen: Hör auf deinen Therapeuten. Er hat recht. Du klebst an der Vergangenheit und stocherst in den alten Wunden. Du musst einen Weg finden, in die Zukunft zu blicken. In deinem und in unserem Interesse.«
    »Das versuche ich.«
    »Es ist einfach, sich im Leid zu suhlen, sich und anderen Vorwürfe zu machen und über begangene Fehler nachzugrübeln. Viel bequemer, als damit abzuschließen und ein neues, besseres Leben anzufangen.«
    »Du findest, ich suhle mich in meinem Leid?«
    Maggie schloss die Augen.
    »Ich will nur sagen, dass wir nicht mehr dieselben sind wie früher. Wir müssen uns als die, die wir heute sind, der Zukunft stellen. Wir müssen uns neu erfinden, und unser Leben auch. Ein Leben ohne Ricky, ohne deinen Job, ohne dein Geheimnis. Und wenn du dabei nicht mitarbeitest …«
    Sie hielt inne und schüttelte traurig den Kopf. Sie betrachtete das Geschirrtuch, faltete es

Weitere Kostenlose Bücher