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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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und auch keine Kleintiere, die durchs Unterholz huschten. In lauen Sommernächten vibrierte die Luft vor Leben, aber heute war alles still.
    Die verlassenen Minenschächte stellten eine große Gefahr dar. Aus den dunklen Bergwerkseingängen schien ein unwiderstehlicher Sirenengesang zu dringen, der die jungen Männer anzog. Die alteingesessenen Familien, denen der Grund gehörte, sahen es nicht gern, wenn Eindringlinge sich im Wald herumtrieben.
    Die Städter, die sich in den letzten Jahren in The Hollows angesiedelt hatten, nannten die Alteingesessenen »Bergleute«. Bei der Bezeichnung musste Jones unweigerlich an unrasierte Schläger in Holzfällerhemden denken, die alte Jeeps mit Allradantrieb fuhren, ein Gewehr auf dem Rücken und eine Flasche mit selbstgebranntem Schnaps zwischen den Oberschenkeln. Nicht alles davon traf zu, trotzdem enthielt es ein Körnchen Wahrheit. Die Familien besaßen riesige Ländereien und weigerten sich, an Investoren zu verkaufen. Sie waren uramerikanisch, pochten auf ihr Recht, Waffen zu tragen und Alkohol zu brennen, und mochten keine Fremden. Das größte Problem war mittlerweile, dass die illegalen Schnapsbrennereien illegalen Meth-Laboren gewichen waren. Als Jones noch bei der Polizei gewesen war, hatte er mit der Hilfe von FBI und DEA drei davon ausgehoben. Das Problem betraf viele ländliche Gemeinden. Um heimlich ein Drogenlabor zu betreiben, brauchte man wegen des verräterischen Gestanks ein großes Stück unbewohntes Land. Und in The Hollows gab es davon genug.
    Weil Jones seit Ewigkeiten in The Hollows wohnte, kam er mit den Alteingesessenen gut zurecht. Chuck Ferrigno, sein aus New York zugezogener Kollege, tat sich ungleich schwerer. Die Leute hier mochten keine Großstädter, und sie mochten keine Polizisten, sodass Chuck vor jedem Einsatz zwei Hürden zu überwinden hatte.
    Jones hörte den Black River rauschen. Er war über zwei Kilometer entfernt, aber an dunklen, stillen Abenden wie diesem trug das Rauschen weit. Auf dem Rückweg näherte Jones sich noch einmal der Kapelle und wollte eigentlich daran vorbei direkt zum Auto zu laufen. Es war schon spät, und er wusste selbst nicht, wonach er eigentlich suchte. Trotzdem beschloss er spontan, noch einmal auf die Lichtung zu gehen. Er ließ den Lichtschein der Taschenlampe herumwandern und wünschte sich, er wäre bewaffnet. Minutenlang ging er ziellos umher, während das Licht die Grasbüschel streifte. Er wollte eben aufgeben und nach Hause gehen, als etwas im Licht aufblitzte.
    Jones kannte die Lichtung wie seine Westentasche. Am Ende des Grasstreifens stieß man auf die Ruinen einer noch älteren Scheune, die vor langer Zeit eingestürzt oder abgerissen worden war. Irgendwo rechts stand außerdem ein ausgebranntes, verrostetes Autowrack. Jones konnte sich an keine Minenschächte erinnern, aber ganz in der Nähe hatte man einen Eingang in den Fels gesprengt, möglicherweise verliefen die Tunnel direkt unter seinen Füßen.
    Jones bewegte sich weiter vorwärts und sah, dass jemand das hohe Gras geschnitten und eine Art Pfad angelegt hatte. Kurz darauf entdeckte er ein Loch im Boden. Mehr war nicht zu sehen. Wer immer es auch gegraben hatte, hatte offenbar sein Vorhaben aufgegeben.
    Was hatte Michael Holt hier draußen gesucht? Wonach grub er, wenn nicht nach jener Mine? Die Geschichte, die Bethany Graves erzählt hatte, klang unglaubwürdig. Jones hatte sie nie gehört. Dabei gab es zahllose Legenden, die sich um die Geister und Mörder von The Hollows rankten. Einige waren wahr, andere erfunden. Aber Jones war überzeugt, sie inzwischen alle zu kennen.
    Sein Handy fing an zu klingeln. Er zog es aus der Jackentasche und nahm den Anruf entgegen. Er brauchte nicht nachzusehen, um zu wissen, wer dran war. Die einzige Person, die ihn anrief, war Maggie.
    »Hey«, sagte er.
    »Wo steckst du?« Maggies Stimme klang brüchig, es rauschte in der Leitung. Hier draußen war der Handyempfang miserabel, manchmal fiel er ganz aus.
    »Auf dem Heimweg«, sagte Jones. Das war nicht gelogen. Er hatte hier draußen nichts zu suchen. Er hatte kein Werkzeug dabei, um das Loch zu vergrößern. Sicher würde Chuck Ferrigno sich dafür interessieren. Jones trat an den Rand des Lochs und leuchtete hinein. Nichts als Erde. Um herauszufinden, was hier begraben lag, würde er entsprechendes Werkzeug und die Hilfe einiger Männer benötigen.
    »Du hast heute deinen Termin nicht eingehalten?«, fragte Maggie. Jones hörte nur abgehackte

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