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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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er stellte keine Fragen, sondern ergriff das Ruder und hielt es wie einen Baseballschläger.
    »Ich bin bereit.«
    Michelle machte die Taschenlampe an. Theos Herz setzte einen Schlag lang aus. Als er die widerliche schwarze Schlange sah, hätte er um ein Haar das Ruder fallen lassen. Die gespaltene Zunge des Tiers zuckte vor und zurück, als würde es sich voller Vorfreude die Lippen lecken. Der dreieckige, flache Kopf lag genau auf Michelles Kniescheibe, und das Biest schien ihr in die Augen zu schauen.
    Theo hatte das Gefühl, als würde die Zeit stehen bleiben. Schließlich schwang er das Ruder und katapultierte die Schlange ins Wasser. »Verdammt noch mal!«, keuchte er. Er sprang auf die Füße und riss Michelle an sich. »Verdammt!«
    Michelles Herz raste. Sie leuchtete die Wasseroberfläche ab und sah gerade noch, wie die Schlange unter den Büschen auf der anderen Seite des schlammigen Ufers verschwand. Dann holte sie eilig das Ruder aus dem Wasser, das Theo bei der Aktion versehentlich aus dem Boot geworfen hatte. Sie legte es auf den Boden und lehnte sich zurück. »Das war knapp.«
    Theo schlug mit seiner Hand auf ihr Bein. »Hat sie dich erwischt?«, fragte er, noch immer außer sich.
    »Nein. Sie hatte wahrscheinlich noch mehr Angst als wir.«
    »Was, zur Hölle, war das?«
    »Eine Baumviper.«
    »O Mann, die sind giftig!«
    »Ja«, bestätigte Michelle und hielt seine Hand fest. »Hör auf, mich zu schlagen.«
    »Ich wollte nur sichergehen, dass da nicht noch mehr von diesen Biestern sind.« Als ihm auffiel, wie hysterisch er sich aufführte, verstummte er.
    »Vertrau mir, ich würde merken, wenn mir noch eine andere Schlange die Beine heraufkriecht. Beruhige dich!«
    »Wie kannst du nur so gelassen sein? Dieses Vieh lag auf deinem Bein!«
    Michelle legte die Hand an seine Wange. »Aber du hast es vertrieben.«
    »Ja, aber …«
    »Tief durchatmen, Theo.«
    Sie war nicht halb so ruhig, wie sie sich gab. Als Theo die Arme um sie legte, spürte er, dass sie zitterte. »Weißt du was?«
    »Lass mich raten: Du hasst Schlangen.«
    »Woher weißt du das?«
    Sie lächelte und entzog sich ihm. »Das war eine Eingebung.«
    »Lass uns von hier verschwinden.«
    Er streckte die Hand ins Wasser, um zu prüfen, ob er das Boot vom Ufer abstoßen konnte. Seine Finger versanken im Schlamm.
    Michelle umklammerte seinen Arm und zog ihn zurück. »Lass deine Hand lieber bei dir!«
    Er brauchte nicht zu fragen, warum. Sofort malte er sich aus, wie ein Alligator ihn anfiel. Er ergriff das Ruder, um das Boot von der Stelle zu bewegen. »Führt dieser Kanal zum Hauptarm zurück?«
    »Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und kenne diese Gewässer wie meine Westentasche, aber im Dunkeln bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube, dieser Seitenarm endet in etwa einer Viertelmeile. Wenn wir weiterfahren, sitzen wir womöglich irgendwann fest, und ich habe keine Lust, durch den Sumpf zu laufen. Es ist gefährlich, zumindest nachts. Ich denke, wir sollten umkehren.«
    »Einverstanden.«
    »Lass uns lieber rudern. Dann hören die Kerle uns nicht, falls sie überhaupt in der Nähe sind.«
    Sie nahm ein Ruder zur Hand und half Theo, das Boot zu wenden.
    »Wenn sich noch eine Schlange ins Boot fallen lässt, werden sie mich ganz bestimmt hören!«
    Theo tauschte den Platz mit Michelle und ruderte auf den Hauptarm zu. Ab und zu hielt er inne und wandte sich nach hinten, um nach ihren Angreifern Ausschau zu halten. »Was meinst du, schaffen wir es bis zu deinem Steg? Wenn ich mein Handy holen könnte …«
    Sie unterbrach ihn. »Wir befinden uns zu weit flussabwärts. Wir müssten dieselbe Strecke zurückfahren, und das ist meiner Ansicht nach zu riskant.«
    »Okay, rudern wir also auf die andere Seite und hoffen, dass irgendwo in der Nähe ein Steg ist.«
    Theo konnte nur etwa drei Meter weit sehen, aber es war zu gefährlich, die Taschenlampe zu benutzen. Michelle kletterte über die Bank, um den Motor ins Wasser zu lassen. Sie nahm die Startschnur in die Hand, um sofort daran ziehen zu können, wenn sie entdeckt wurden. Derweil schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf. Wann hatte sie zum letzten Mal Benzin nachgefüllt? Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern. Und was sollten sie tun, wenn sie mitten auf dem Kanal von dem Licht des anderen Bootes erfasst wurden? Sie glitten weiter durchs Wasser. Theo ruderte kraftvoll und geschickt.
    Michelle entdeckte plötzlich erneut das Licht. »Sie suchen in den Seitenarmen nach

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