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Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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Praline erstickt war. Ein dicker Klumpen mit Schokolade überzogener Karamell war in ihrer Speiseröhre stecken geblieben. Sie hatte blaue Flecke am Hals, aber es wurde angenommen, dass sich Catherine diese selbst zugefügt hatte, als sie verzweifelt versuchte, den Fremdkörper herauszuwürgen. Das Ganze wurde als »Unfall« abgehakt. Die Akte konnte also offiziell geschlossen und die Leiche zur Bestattung freigegeben werden.
    Wegen Catherines beträchtlichen Umfangs hätte es mindestens acht starker Träger bedurft, um den Sarg mit Catherine zu transportieren, der, wie der Bestattungsunternehmer taktvoll erklärte, extra angefertigt werden müsste. Verlegen und mit sichtlich gequälter Miene machte er dem Witwer mit viel zu vielen Worten klar, dass es ganz und gar unmöglich sei, die Verblichene in einen der handelsüblichen, mit Satin ausgeschlagenen Särge aus Eichenholz zu zwängen. Er deutete an, dass es klüger sei, den Leichnam einzuäschern, und der Witwer erklärte sich sofort damit einverstanden.
    Die Trauerfeier war eine private Angelegenheit. Nur eine Hand voll Verwandte von John sowie ein paar wenige enge Freunde nahmen teil. Cameron erschien, aber Preston und Dallas hatten sich entschuldigt. Die Haushälterin Rosa war ebenfalls dabei, und während John die Kirche verließ, hörte er sie herzzerreißend schluchzen. Er begegnete ihr noch einmal im Vestibül, sie hielt ihren Rosenkranz fest umklammert und funkelte ihn zornig mit einem »Zur Hölle seist du verdammt für deine Sünden« -Blick an. Umgehend und ohne jegliches Bedauern kündigte John der regelrecht hysterischen Frau.
    Zwei Familienangehörige von Catherine waren ebenfalls bei der Trauerfeier anwesend, aber als die kleine Gruppe zum Mausoleum schritt, hielten sie sich diskret im Hintergrund. John spähte immer wieder über die Schulter zu dem Mann und der Frau hinüber. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass sie ihn die ganze Zeit über anstarrten, aber als ihm bewusst wurde, dass sie ihn unnötig nervös machten, drehte er ihnen demonstrativ den Rücken zu und senkte den Blick.
    Der Himmel schien um Catherine zu weinen und ihr ein letztes Lied zu singen. Während der Pfarrer inbrünstig betete, zuckten Blitze durch die Luft, und der Donner grollte. Der Wolkenbruch ließ nicht nach, bis die mit Catherines Asche gefüllte Urne in der Gruft verschwunden war.
    Catherine hatte endlich ihren Frieden, und die Qualen ihres Mannes waren ebenfalls ausgestanden. Seine Freunde rechneten damit, dass er zunächst tief trauerte, er hatte diese Frau schließlich von ganzem Herzen geliebt. Aber gleichzeitig würde er erleichtert sein, weil Catherines Leiden ein Ende hatte.
    Obwohl die anderen ihn dazu überreden wollten, sich einige Zeit freizunehmen, ging der Witwer schon am Tag nach dem Begräbnis wieder zur Arbeit. Er behauptete, er müsse sich beschäftigen, um sich von seiner Trauer abzulenken.
     
    Es war ein strahlender, wolkenloser Tag, als er im Cabrio durch St. Charles zu seinem Büro fuhr. Die Sonne wärmte seine Schultern, und die schwüle Luft duftete nach Geißblatt. Seine geliebte Mellencamp-CD »Hurts So Good« dröhnte aus den Lautsprechern.
    Er rollte auf seinen angestammten Platz in der Tiefgarage und fuhr mit dem Aufzug hinauf in sein Büro. Als er die Tür, an der sein Name stand, öffnete, eilte seine Sekretärin auf ihn zu und sprach ihm ihr aufrichtiges Beileid aus. Er bemerkte, dass seine Frau sehr glücklich über diesen strahlenden Sommertag gewesen wäre, und die Sekretärin erzählte den anderen Mitarbeitern später, dass John tatsächlich Tränen in den Augen hatte, als er Catherines Namen aussprach.
    Die Tage verstrichen, und John schien tapfer gegen seine Depressionen anzukämpfen. Während der Arbeitszeit machte er meistens einen zurückgezogenen und distanzierten Eindruck und erledigte wie in Trance seine täglichen Aufgaben. In anderen Momenten wiederum wirkte er auf unnatürliche Weise fröhlich. Seine wechselhafte Gemütsverfassung bereitete den Mitarbeitern Sorge, aber sie erklärten sich sein eigenartiges Verhalten als Folge des traurigen Ereignisses. Sie wollten ihm Zeit geben, wieder zu sich selbst zu finden. John sprach nicht über seine Gefühle, sie alle wussten, dass er ein introvertierter Mensch war.
    Sie hatten keine Ahnung, dass John in Wahrheit ein ziemlich emsiges Verhalten an den Tag legte.
    Innerhalb von zwei Wochen nach »dem Ereignis« warf er alle schmerzlichen Erinnerungen an seine Frau aus dem Haus,

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