Gnade
Weiches getroffen zu haben. Die junge Frau schrie, und dann verlor er abermals die Besinnung.
Theo wusste nicht, wie lange er ohnmächtig gewesen war, und als er die Augen aufschlug, blendete ihn grelles Licht, und er musste unwillkürlich blinzeln. Wo war er bloß? Er hatte keine Kraft, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Er vermutete, dass er auf einem Tisch lag.
»Wo bin ich?« Sein Mund war so trocken, dass er die Worte nicht deutlich aussprechen konnte.
»Sie sind im Brethren Hospital, Mr. Buchanan.« Die tiefe Stimme kam von hinten, aber Theo konnte den Mann nicht sehen.
»Haben Sie sie geschnappt?«
»Wen?«
»J. Crew.«
»Er ist verwirrt.« Das war die Stimme einer Frau, die er nicht kannte.
Plötzlich registrierte Theo, dass er gar keine Schmerzen mehr hatte. Er fühlte sich sogar richtig gut, als könne er fliegen. Komisch, dass er nicht die Kraft hatte, die Arme zu bewegen. Eine Maske bedeckte seinen Mund und die Nase. Er drehte den Kopf, um das Ding loszuwerden.
»Werden Sie schläfrig, Mr. Buchanan?«
Er drehte den Kopf zur anderen Seite, und da sah er sie. Die Blauäugige. Sie sah aus wie ein Engel, ganz golden. Moment mal, was hatte sie hier zu suchen? Moment …
»Mike, können Sie überhaupt sehen, was Sie tun? Das Auge sieht schlimm aus.«
»Es geht schon.«
»Wie ist das passiert?«, fragte die Stimme hinter Theo.
»Er hat mir eine verpasst.«
»Der Patient hat Sie geschlagen?«
»Ganz recht.« Bei ihren Worten blickte sie Theo in die Augen. Sie hatte eine grüne Maske vor dem Gesicht, aber er wusste, dass sie lächelte.
Er war benommen und so müde, dass er die Augen kaum noch offen halten konnte. Stimmen drangen an sein Ohr, aber die Unterhaltung machte keinen Sinn. Eine Frauenstimme sagte: »Wo haben Sie den denn aufgerissen, Dr. Renard?«
»Auf einer Party.«
Eine andere Frau beugte sich über ihn. »Toll!«
»War es Liebe auf den ersten Blick?«
»Wie man’s nimmt. Er hat mich voll gekotzt und mir mein neues Kleid ruiniert.«
Jemand lachte. »Für mich klingt das nach Liebe. Ich wette, er ist verheiratet. Alle gut aussehenden Männer sind verheiratet. Der hier hat eine Superfigur. Hast du dir seine Schätze genau angesehen, Annie?«
»Ich hoffe, unser Patient schläft!«
»Noch nicht«, sagte ein Mann. »Aber er wird sich später an nichts mehr erinnern.«
»Wo ist der Assistenzarzt?«
»Schrubbt sich die Hände.«
Hier schien eine Party stattzufinden. Theo bildete sich ein, dass sich mindestens zwanzig bis dreißig Leute in dem Raum tummelten. Warum war es nur so verdammt kalt? Und wer klapperte da so laut herum? Er hatte Durst. Sein Mund fühlte sich an, als wäre er mit Watte ausgestopft. Vielleicht sollte er sich etwas zu trinken holen. Ja, genau das würde er machen.
»Wo ist Dr. Cooper?«
»Wahrscheinlich ist er mittlerweile über dem Dessert in sich zusammengesunken«, beantwortete die Blauäugige die Frage. Theo mochte den Klang ihrer Stimme. Ganz schön sexy!
»Sie haben Cooper auf der Party gesehen?«
»Hmm«, machte die Blauäugige. »Er hat heute Abend keine Rufbereitschaft. Er arbeitet viel zu viel, es war schön zu sehen, dass er sich mal amüsiert. Mary Ann hat wahrscheinlich auch ihren Spaß.«
»Sie …« Theo stieß dieses eine Wort hervor. Michelle hatte ihn gehört, denn als er die Augen wieder öffnete, beugte sie sich über ihn und schirmte das grelle Licht von oben ab.
»Es wird Zeit, dass Sie einschlafen, Mr. Buchanan.«
»Er kämpft dagegen an.«
»Was …«, begann Theo.
»Ja?«
»Was wollen Sie von mir?«
Der Mann, der unsichtbar hinter ihm stand, sagte: »Mike möchte Ihren Blinddarm, Mr. Buchanan.«
Das klang gut. Er war immer glücklich, wenn er einer schönen Frau eine Gefälligkeit erweisen konnte. »Okay«, flüsterte er. »Er ist in meiner Brieftasche.«
»Wir sind bereit.«
»Wird aber auch Zeit«, fügte der Mann hinzu.
»Was möchten Sie heute hören, Dr. Renard?«
»Sie brauchen gar nicht zu fragen, Annie.«
Alle stöhnten. Dann ein Klicken. Theo hörte, dass der Stuhl hinter ihm quietschte, dann befahl ihm die Stimme eines Fremden, tief durchzuatmen. Endlich kam Theo dahinter, wer dieser Mann war. Er wollte verdammt sein, wenn er es hier nicht mit Willie Nelson zu tun hatte, und er sang ihm was vor – irgendetwas von blauen Augen, die im Regen weinten.
Er war tatsächlich auf einer Party.
4
Theo schlief die ganze Nacht durch, und als er am folgenden Morgen aufwachte, lag er in einem
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