Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnade

Gnade

Titel: Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
Vom Netzwerk:
Krankenhausbett. Die seitlichen Gitter waren hochgeklappt, und er hing am Tropf. Er schloss die Augen und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Was war nur mit ihm passiert? Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern.
     
    Als er die Augen das nächste Mal aufmachte, war es nach zehn. Sie war da, stand neben seinem Bett und zog gerade die Decke über seinen Bauch. Die Blauäugige. Dann war sie also doch kein Fantasiegebilde.
    Heute sah sie jedoch vollkommen anders aus. Sie trug noch immer ihre Chirurgenmontur, aber ihr Haar war diesmal nicht unter einer Kappe versteckt. Es umflutete ihre Schultern und hatte die Farbe von glänzenden Kastanien. Sie war noch viel hübscher, als Theo sie in Erinnerung hatte.
    Michelle merkte, dass er wach war. »Guten Morgen. Wie fühlen Sie sich? Immer noch ein wenig benommen?«
    Theo bemühte sich, eine sitzende Position einzunehmen. Michelle drückte rasch auf einen Knopf, und daraufhin hob sich langsam das Kopfteil des Bettes. Theo spürte ein Ziehen in der Seite sowie leichte Stiche.
    »Sagen Sie mir, wenn es bequem ist.«
    »So ist es gut«, sagte er. »Danke.«
    Während er sie unverhohlen anstarrte, nahm sie sein Krankenblatt zur Hand und begann zu schreiben. Er kam sich verletzlich und albern vor in diesem Bett und dem hässlichen Krankenhausnachthemd. Und ihm fiel nichts Kluges ein, was er sagen konnte. Seit langem wollte er mal wieder charmant sein, aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie er es anstellen sollte. Er war ein hart gesottener Workaholic, und in seinem Leben hatten Plänkeleien einfach keinen Platz. In den letzten vier Jahren – seit dem Tod seiner Frau – war er allen Leuten gegenüber stets barsch, abweisend und wortkarg gewesen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil er dadurch Zeit sparte. In letzter Zeit war er sowieso ständig in Eile, damit er in seinem Beruf vorwärts kam. Deshalb überrumpelte ihn jetzt dieser plötzliche Sinneswandel. Er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als liebenswürdig zu erscheinen. Eindruck zu schinden, wie sein jüngster Bruder Zack sagen würde. Irgendwie musste das doch zu schaffen sein.
    »Wissen Sie, was gestern Abend geschehen ist?«, fragte Michelle und blickte von ihren Notizen auf.
    »Ich wurde operiert.«
    »Ja. Wir haben Ihnen den Blinddarm rausgenommen. Eine Viertelstunde später wäre er sicher durchgebrochen.«
    »Ich erinnere mich nur an Bruchteile. Was ist mit Ihrem Auge passiert?«
    Sie lächelte und schrieb wieder etwas in seine Akte. »Ich habe mich nicht schnell genug geduckt.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Dr. Renard.«
    »Nicht Mike?«
    »Wie bitte?«
    »Jemand hat Sie Mike genannt.«
    Michelle klappte den Hefter zu, schraubte die Kappe auf ihren Füller und steckte ihn in die Tasche. Jetzt konnte sie sich vollauf ihrem Patienten widmen. Die OP-Schwestern hatten Recht: Theo Buchanan sah außerordentlich gut aus – und sexy. Aber das spielte keine Rolle. Sie war seine Ärztin, nicht mehr und nicht weniger. Dennoch reagierte sie wahrscheinlich wie viele Frauen. Theos Haare standen in alle Richtungen ab, und er konnte eine Rasur vertragen, aber trotzdem war er sehr anziehend. Es war nichts dabei, dass sie das registrierte. Es sei denn natürlich, er bemerkte ihre bewundernden Blicke.
     
    »Sie hatten mir gerade eine Frage gestellt«, sagte sie beiläufig. Theo spürte, dass er sie aus der Fassung gebracht hatte, hatte aber keine Ahnung, womit. »Ich habe gehört, dass jemand Sie Mike genannt hat.«
    Sie nickte. »Ja. Das Team nennt mich Mike. Es ist die Abkürzung für Michelle.«
    »Michelle ist ein hübscher Name.«
    »Danke.«
    Jetzt fiel Theo alles wieder ein. Er war auf der Party gewesen, und plötzlich war diese schöne Frau in einem hautengen schwarzen Abendkleid auf ihn zugekommen. Eine atemberaubende Frau! Sie hatte unheimlich blaue Augen. Willie Nelson war bei ihr und sang aus voller Kehle. Nein, das konnte nicht stimmen! Offensichtlich hatte er noch immer keinen klaren Kopf.
    »Sie haben mit mir gesprochen, nach der Operation«, sagte er.
    »Ja, im Aufwachraum«, bestätigte sie. »Aber eigentlich haben eher Sie geredet.« Sie lächelte wieder.
    »Ja? Was habe ich denn gesagt?«
    »Hauptsächlich unsinniges Zeug.«
    »Sie haben mir meine Waffe abgenommen. Wo ist sie?«
    »In unserem Safe, zusammen mit ihren anderen persönlichen Sachen. Dr. Cooper wird dafür sorgen, dass Sie alles zurückbekommen, bevor Sie das Krankenhaus verlassen. Er wird nämlich die

Weitere Kostenlose Bücher