Gnade
Dollar abspeisen und den Rest diesem Vogelasyl in den Rachen werfen kann? Das soll ich klaglos hinnehmen?«
»Das ist nicht ganz korrekt«, berichtigte Benchley ihn. »Vierhunderttausend Dollar gehen an die Familie Renard und sollen zu gleichen Teilen unter Catherines Onkel Jake Renard und ihren beiden Cousins Remy und John Paul sowie ihrer Cousine Michelle aufgeteilt werden.«
»Ich glaub’s einfach nicht!«, schimpfte John. »Catherine hat diese Leute gehasst. Sie hielt sie für Abschaum.«
»Sie muss ihre Meinung geändert haben«, sagte Benchley. Er tippte mit der Fingerspitze auf die Papiere. »Das steht alles in ihrem letzten Willen. Jeder ihrer Verwandten bekommt hunderttausend Dollar. Und dann gibt es noch eine weitere besondere Verfügung. Catherine hat ihre Haushälterin sehr gern gehabt, ich bin sicher, das ist Ihnen aufgefallen.«
»Natürlich mochte sie sie. Die Frau hat immer nach ihrer Pfeife getanzt und keinen Hehl daraus gemacht, dass sie mich verabscheut. Das amüsierte Catherine ungemein.«
»Also«, führt Benchley fort, »sie hat Rosa Vincetti hundertfünfzigtausend Dollar hinterlassen.«
Diese Information machte John fuchsteufelswild. Er wünschte, er hätte Monk den Auftrag gegeben, Rosa auch gleich kaltzumachen. Er hasste diese bigotte Frau mit den Habichtaugen. Wie hatte er es genossen, sie zu feuern! Und jetzt bekam sie auch noch ein großes Stück vom Kuchen ab.
»Jeder Cent gehört mir!«, schrie er. »Ich fechte das Testament an, und ich werde gewinnen, Sie aufgeblasenes Arschloch!«
Benchley ließ dieser Ausbruch offenbar kalt. »Tun Sie, was Sie wollen. Übrigens: Catherine hat damit gerechnet, dass Sie rechtliche Schritte unternehmen wollen, und für diesen Fall hat sie einen versiegelten Umschlag bei mir hinterlegt. Ich soll ihn Ihnen aushändigen. Ich habe keine Ahnung, was sich darin befindet, aber Catherine hat mir versichert, dass Sie Abstand von einem Rechtsstreit nehmen, sobald Sie den Brief gelesen haben.«
John unterschrieb eine Quittung und schnappte sich den Umschlag. »Ich verstehe nicht, wie eine Frau so niederträchtig sein kann!«, giftete er.
»Vielleicht liefert der Brief die Erklärung.«
»Geben Sie mir die Kopie von diesem verdammten Testament«, forderte John. »Und ich versichere Ihnen: Nichts, was Catherine mir mitzuteilen hat, kann mich von meinem Entschluss abbringen. Ich werde prozessieren!«
Er stürmte aus dem Büro und schlug die Tür hinter sich zu. Der Zorn brodelte in ihm. Unwillkürlich musste er an die vielen Rechnungen und an Monk denken. Was sollte er nur tun?
»Verdammtes Miststück!«, knurrte er, als er in sein Auto einstieg.
Es war dunkel in der Tiefgarage. John knipste die Innenbeleuchtung an und riss hektisch den Umschlag auf. Es waren insgesamt sechs Seiten, aber der eigentliche Brief nahm nur eine Seite ein. John fragte sich, welche Überraschungen seine verstorbene Frau für ihn noch parat hielt.
Dann nahm er sich den Brief vor und begann hastig zu lesen. Er traute seinen Augen nicht.
»Mein Gott! Mein Gott!«, murmelte er immer und immer wieder.
8
John war vollkommen durcheinander und derart fassungslos, dass er gegen jede Verkehrsregel verstieß, als er durch St. Charles raste und mit siebzig Meilen pro Stunde die Fahrspuren wechselte. Er umklammerte Catherines Brief und schlug mit den Knöcheln immer wieder auf das lederne Armaturenbrett ein. Er wünschte, es wäre Catherines Gesicht, das er zertrümmern konnte. Diese Hexe! Diese hinterhältige Hexe!
Er wollte nicht glauben, was sie getan hatte. Es musste ein Bluff sein. Ja, das war es, sogar noch nach ihrem Tod versuchte sie, ihn unter der Knute zu halten. Sie konnte unmöglich all die Sicherungen und Schutzvorrichtungen, die er in seinem Computer installiert hatte, geknackt haben. So schlau konnte sie doch unmöglich gewesen sein!
Als er in seine Auffahrt einbog, hatte er sich nahezu davon überzeugt, dass das Ganze nur ein Schwindel war, mit dem sie ihm Angst einjagen wollte. Er schätzte die Entfernung zur Garage falsch ein, und bevor er eine Vollbremsung machen konnte, rammte er das Tor. Fluchend sprang er aus dem Wagen und rannte zur Haustür. Erst da merkte er, dass er den Motor hatte laufen lassen.
Bleib cool!, ermahnte er sich. Bleib einfach cool! Das Miststück versucht nur, sich noch ein letztes Mal bemerkbar zu machen und deine Nerven zu strapazieren, das ist alles. Aber er musste sich umgehend vergewissern. Er rannte durchs Haus und stieß in seiner Eile
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